Akt 41:

Die Insel der Unsterblichkeit:

 

teilnehmende Abenteurer:

Fela Garcia (Küstenstaaten, Heilerin), Alestor (Albai, Krieger), Miya (NPC), Alberic (Albai, Glücksritter), Tarion (Albai, Assassine)

 

Alle warteten bereits auf dem ansteigenden grauen Geröll des Hanges, bis sich ein lichter Spalt in der Luft öffnete und auch Tarion bei ihnen angelangte. Fela realisierte seine Verletzung im Rücken sehr schnell und kümmerte sich umgehend um ihn. Wie es LiTan ihnen erzählt hatte, befanden sie sich nun an einem der Seitenhänge auf dem Vulkan der Insel der Unsterblichkeit.

Zum Mitte der Insel hin stieg die Kuppe des mächtigen Vulkans an, gedeckt von sattem, grünem Gras, welches durch die losen grauen Geröllfelsen am Boden spross. Kräftige Winde ließen die fast kniehohen Halme der Gräser wie grüne Wellen schlagen und die Kleidung der Gefährten flattern. Das grüne Licht, das die ganze Insel umgab, nahm zur Mitte hin an Intensität noch zu, wo es so grün wurde, wie geschlagener, starker grüner Tee, Paarungswillige Windpfauen, so groß wie Pferde, stolzierten überall unbekümmert von den Menschen im Gras umher und spreizten ihre prächtigen Schwanzfedern.

Nachdem sie sich von den Strapazen der Jagd über die Wendeltreppe erholten, liefen sie in einer Linienformation den Hang empor zum Krater. Tarion ging vor.

Am Kraterrand angekommen blickten sie in den Schlot. Tief unten in der Kaldera blubberte ein heißes grünes Gemisch vor sich hin. Laut der Heilerin war dies dasselbe, was auch als grüner Schleim auf dem Meer herumtrieb und an die Ufer angespült wurde, Es war keine Lava, sondern konzentrierte Lebensenergie. In einiger Entfernung sahen sie eine bestimmt achtzig Meter lange Bogenbrücke, die zu einem hohen Felsvorsprung gleich einer natürlichen Säule auf Felsgestein führte, welche sich inmitten des Kraters empor hob. Darauf stand ein Podest auf dem irgendetwas lag. Doch es war noch zu weit entfernt, um es genau zu bestimmen. Doch es musste sich einfach um die gesuchte "wehenstillende Muschel der Schwalben" handeln. Sie eilten zu ihrer Seite des Brückenstegs. Alberic meldete sich bereit den Gegenstand zu holen. Es ließ jedoch all seine Habe bei seinen Kameraden zurück, die dort auf seine Rückkehr warten sollten, um diese nicht zufällig zu verlieren. Einzig seinen Teleportationsdolch nahm er mit, um sich im Falle eines Absturzes noch blitzschnell retten zu können. Dann begab er sich vorsichtig über die schmale Brücke schleichend zum vermeintlichen Gegenstand hin.

Alberic hatte schon die Hälfte seines Weges zurückgelegt, als ein tiefes und markerschütterndes Grollen ertönte. Miya schrie erschrocken auf, als sie eine Bewegung in der Kaldera bemerkte. Tief unter ihnen schnellten zwei rießige und mächtige klauenbewährte Pranken aus der grünen kochenden Suppe und bohrten sich mit unmenschlicher Stärke in den bloßen Fels. Dann zogen die Pranken einen gewaltigen, muskelbepackten Körper aus dem Lebensstrom und ein schwerer von Knochenplatten gepanzerter Kopf mit tiefliegenden Augen, großen Maul und zwei gekrümmten Hörnern blickte in ihre Richtung. Der rotbraune Koloss zog sich weiter empor und breitete seine riesigen Schwingen aus. Seine massigen Beine endeten in schweren Hufen und ein peitschender Schwanz wurde ersichtlich. Während die Abenteurer diesem Wesen noch untätig zusahen, sprang der Koloss mit einem Satz los und überwand die fünfzig Höhenmeter in nur enem einzigen Augenblick.

NOTIZ FÜR BUCH: BILD BALROK

Das Wesen landete genau vor Tarion und Alestor, breitete seine Schwingen noch weiter aus als zuvor und ließ ein mächtiges Brüllen erklingen. Während aus seinem Körper Flammenzungen hervor sprangen, zog er mit seiner Rechten ein vier Meter langes Flammenschwert und mit der Linken eine entflammte Peitsche. Alestor und Tarion taten es ihrem Kontrahenten gleich und zogen ihrerseits ihre Waffen. Ein brutaler und blutrünstiger Kampf entbrannte am Rande des Kraters, während Fela Garcia ihre zwei Gefährten mittels "Beschleunigen" und "Wagemut" stärkte. Sie bemerkte aufgrund der Bewegungen des Dämons, dass dieser körperlich anwesend war und keine Projektion, wie es für gewöhnlich bei Dämonen auf Ljosgard der Fall war. Auch erkannte sie in ihm einen Balrok, und noch dazu ein überaus großes Exemplar seiner Gattung.

Aufgrund des schalldämmenden Rauches und seiner Entfernung zum Kraterrand hatte Alberic bis jetzt noch nicht den Kampf bemerkt, der in seinem Rücken entbrannte. Er erreichte die Plattform und fand auf dem Podest tatsächlich die Muschel liegen, die er sogleich an sich nahm. Als er sich umwandte und den unerbittlichen Kampf realisierte, rannte er umgehend los, um seiner Gruppe gegen diesen Dämon beizustehen.

Derweil machte der Balrok ernst. Seine ledrigen Schwingen breiteten sich aus und schlugen wild um sich. Eine dichte Wolke aus Staub und Rus umgab ihn. Funken und beißender Qualm schlugen Alestor und Tarion entgegen und behinderten ihre Sicht, sodass sie Schwierigkeiten hatten ihren Feinst auszumachen und zu treffen. Zudem machte es die Wolke für Fela Garcia unmöglich ihre Begleiter mit weiteren hilfreichen Zaubern zu stärken. Alberic stürmte beinahe todesmutig über die Brücke, als ihm die heiße Wolke entgegen schlug. Er ließ sich nicht beirren und preschte halbblind einfach hinein und bremste in seinem Spurt erst ab, als er sich im Rücken der Kreatur befand. Unterdessen holte der Balrok weit mit dem Flammenschwert aus und versetzte Alestor einen mächtigen Hieb, den er nicht abwehren konnte. Durch diesen schweren Treffer ging der Krieger blutüberströmt zu Boden. Tarion rief der Heilerin panisch diese Tatsache zu, damit sie sich um ihn kümmern sollte. Schnell eilte auch sie in den Qualm, packte Alestors Füße und zog ihn aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich fort. Davon nahm der Balrok jedoch keinerlei Notiz (1), da sich sein Hauptaugenmerk nun auf Tarion richtete. Da der Dämon nun nur noch einem Gegner gegenüber stand, ließ er von dem Gebrauch der Peitsche ab und konzentrierte sich auf die Verwendung seines Flammenschwertes. Nach einigen gegenseitigen Hieben wurde auch Tarion von dem Flammenschwert getroffen. Er wurde regelrecht hinfort gefegt und landete mit einer schweren Verletzung am rechten Arm unsanft auf dem schroffen Boden. Er verlor umgehend das Bewusstsein und sein Arm hing nur noch an dünnen Fleischfetzen an seinem geschundenen Körper. Just in diesem Augenblick tunnelte Alberic durch die Beine des Ungeheuers, schlitterte zu seinem hinterlassenen Gepäck, griff seine Waffen und baute sich schützend vor dem am Boden liegenden Tarion auf. Fela befand sich direkt hinter ihm, sodass sie trotz des dichten und behindernden Qualms ihrem Kameraden mit "Beschleunigen" belegen konnte. Während sie anschließend auch Tarion fortzerrte, startete Alberic beschleunigt und beidhändig einen Überraschungsangriff auf den Balrok, der etwas irritiert herein blickte, wo auf einmal dieser neue Gegner herkam. Diese Chance nutzte der Glücksritter gekonnt aus, wirbelte mit seinen zwei Klingen herum und traf seinen massigen Kontrahenten kritisch (20). Der Balrok schrie schmerzverzerrt auf, als ihm sein Gegenüber mit diesem Angriff die Waffen aus der Hand schlug. Sowohl die Feuerpeitsche, als auch das Flammenschwert fielen im hohen Bogen rücklings in die Tiefen des brodelnden Kraters. Er taumelte und war sichtlich erschöpft. Er ließ danach seine einst mächtigen und nun zerfledderten dunklen Schwingen sinken. Gleichzeitig senkte sich auch die dichte Wolke aus Rus und Qualm zu Boden. Der Balrok öffnete sein zähnebewährtes Maul und bildete eine immer immenser werdende Feuerkugel darin. Alberic befürchtete, dass der Dämon nun zum letzten Schlag ausholen wollte und löste sich unmittelbar von seinem Gegner.

Als sich die Abenteurergruppe mit letzter ihnen zur Verfügung stehender Kraft den schroffen Abhang kullernd hinab warfen, explodierte die mehrfach verstärkte Feuerkugel hinter ihnen und sprengte einen großen Teil des Kraterrandes in die Luft. Gesteinstrümmer und schwarz verfärbte Fleischbrocken regneten auf sie hinab. Der Balrok hatte sich selbst ein Ende gesetzt.

Da Alestor trotz unzähliger Wunden lediglich das Bewusstsein verloren hatte, kümmerte sich Fela Garcia zu aller erst um den beinahe tödlich verwundeten Tarion. Mittels "Allheilung" konnte sie sogar seinen rechten Arm retten.

Als sie Stunden später alle wieder einigermaßen wohlauf waren, ging Tarion noch ein letztes Mal zum Kraterrand empor und blickte hinab. Er zog die Nase hoch und rotzte auf das Grab seines Peinigers. Derweil knurrte Alestor murmelnd vor sich hin, da er sich durch die Begebenheiten der vergangenen beiden Tage sowohl in seiner Ehre, als auch in seinem Stolz angegriffen fühlte. Zu erst wurde er von dem kleinen Mädchen Miya besiegt und war dann auch noch eben vor einem anderen Gegner zu Boden gegangen. Alberic dachte über diesen Kampf nach. Vielleicht hatten sie ihre Situation nicht richtig und vorausschauend bedacht und somit ihren Gegner unterschätzt. Für die nächsten Kämpfe forderte er sie alle dazu auf sich strategischer in Kämpfen zu verhalten.

Als alle noch gedankenversunken am Hang standen bemerkte er, dass eine unbekannte Kraft ihn versuchte in die Luft empor zu tragen. Sie schien von der Muschel auszugehen. Er machte seine Mitstreiter darauf aufmerksam, woraufhin dies dann jeder von ihnen spürte. Sie gaben sich dieser Kraft hin und ihre Füße lösten sich vom Boden.

Die Welt unter ihnen wurde kleiner und immer kleiner. Sie rasten förmlich durch das weite und alles umfassende Empyrëum. Dann erspähten sie vor sich ein dicht gewobenes Netz aus armdicken weißen Fäden. Das Netz der Weberin! Durch reines Glück gelang es ihnen durch das engmaschige Geflecht dinduch zu gleiten. Allerdings konnten sie auch dort nicht ihren verschwundenen Magierfreund Sarazian entdecken. Rückblickend erkannten sie in der Mitte des Netzes noch den fetten Leib einer hausgroßen Spinne, die ihnen mit ihren acht Augen missmutig hinterher sah.

 

Akt 42:

Mikifune:

 

teilnehmende Abenteurer:

Adeptus Rhegaru Sarazian Elissa (Ma), Mikifune

 

Anmerkung:

Dieser Akt wurde nie gespielt. Er dient lediglich dafür aufzuzeigen, was die Folgen diverser Handlungen waren und um den Spielern eine Erklärung auf ihre brennende Frage zu geben, was mit Sarazian geschah.

 

Zwei Tage zuvor: Die Abenteurer gingen auf den Mondlampion zu und verschwanden einer nach dem anderen darin, um in eine andere Sphäre zu reisen, wo sie hofften die legendäre "wehenstillende Muschel der Schwalben" zu finden. Sarazian bildete das Schlusslicht. Doch als er gerade zum Lampion gehen wollte, hielt er inne. Seine Gedanken kreisten um die unberührte Grabkammer hinter der des Zauberers ZuFong, wovon ihm Fela Garcia berichtete, als sie dem vorauseilenden Alestor folgten. Seine Neugierde überwältigte ihn. Und so beschloss er dieses Mysterium zu lüften. Es würde seiner Gruppe bestimmt nichts ausmachen, wenn er ihnen einige Minuten später nachfolgte.

Er wandt sich um und an Akitori vorbei, der ihm etwas verwirrt nachschaute. Dann hechtete er den langen Weg nach oben empor. Völlig erschöpft und mit pochenden Seitenstechen erreichte er schließlich den Ahnensaal. Er atmete mehrere Male tief ein und aus, bevor er sich dem hinteren Eingang zu der ihm noch unbekannten Grabkammer zuwandte.

Die Kammer war sauber und ordentlich. Wie auch schon zuvor die Heilerin erblickte er an der Südwand die Truhe aus Rapantiholz. Neben dieser stand an der Westwand ein seidener Wandschirm, auf dem in ausgezeichneter Malerei eine Palasteinrichtung dargestellt war. Im Vordergrund war jedoch seltsamerweise ein großer Teil mit den Umrissen einer Katze völlig weiß belassen worden. Dieses Bildnis war im unteren Bereich mit einer kleinen Unterschrift versehen worden, die den Namen ZuFongs trug. An der Nordwand stand ein großer Sarkophag aus reiner Jade, hervorragend gearbeitet und mit reichem Reliefschmuck versehen. Dargestellt waren Landschaftsszenen im Mondschein. Auf dem Deckel des Sarkophags hockte eine kleine Schildkröte aus schwarzem Speckstein.

Nachdem sich Sarazian umgesehen und sich einen ersten Eindruck gemacht hatte, stellte er sich vor den Sarkophag. Eine Stimme der Neugierde in seinem Kopf spornte ihn dazu an, den Deckel zu öffnen, wohingegen ihm sein Verstand vor etwaigen Fallen warnte. Seine Neugierde siegte am Ende. Er belegte sich selbst mit dem Zauber "Stärke" und drückte seine Beine mit aller Kraft gegen die Wand, um mit einem festeren Stand den Deckel fortzuschieben. Schweißperlen rinnten ihm über die Stirn, als sich der Deckel bewegte und sich der Sarkophag einen Spalt weit öffnete.

Im selben Moment spürte er, dass er das Ziel eines Zaubers wurde, dem er nicht resistieren konnte. Seine Haut begann sich zu festigen und nahm einen granitfarbenen Ton an. Bewegungen fielen ihm immer schwerer. Er versteinerte! Mit einem letzten Anfall von Klarheit im Kopf riss er sich zusammen und nahm eine standfeste Pose ein, damit er nicht umfiel und zerbrach. Irgendwer, vermutlich seine Mitstreiter, würde ihn mit Sicherheit bei ihrer Rückkehr auffinden. Immerhin suchte der Bibliothekar KamburaYaki ja bereits, ihrer Aufforderung folgend, nach einer Möglichkeit eine Versteinerung rückgängig zu machen. Oder Fela berührte ihn mit ihrem Stab, um diesen Fluch zu brechen, wie sie es bereits zuvor in der Pagode tat. Dann konnte er sich gar nicht mehr rühren und sein Blick wurde dunkel. Seine Gedanken ruhten. Stille.

Dann hörte er die Stimme seines Stiefbruders Rodric in seinem Kopf. Er verspottete ihn lauthals und ergötzte sich an seinem Leid und armseligen Zustand. Aber er sagte ihm, dass er diesen Fluch brechen würde. Nicht für ihn, sondern einzig und allein, um ihn mitsamt seiner Gefährten weiter leiden zu sehen und ihnen dann ein Ende mit Schrecken zu bereiten. Ein sinistres Gelächter ertönte.

Sarazian erwachte in Fleisch und Blut. Er befand sich noch immer in der Grabkammer und versuchte zu verstehen, was gerade passiert war. War es nur eine Illusion oder eine Einbildung gewesen? Nein! Sein Bruder hatte ihm aus der Entfernung von irgendwoher geholfen und ihm versprochen ihn umzubringen. Gab er ihm etwa noch immer die Schuld daran, dass Rodrics Vater ihn einst als Jüngling von der Straße aufgelesen und adoptiert hatte, um Rodric und seinen Geschwister zu mehr Ehrgeiz beim Studium der Magie anzuspornen? Er rappelte sich auf, denn jetzt war weder die Zeit noch der Ort, um sich darüber Gedanken zu machen.

Dann spürte er einen stechenden Schmerz an seinem linken Bein. Die Schildkröte aus Speckstein hatte sich in Bewegung gesetzt und nach ihm geschnappt. Erschrocken und erzürnt sprang er auf und trat sie mit voller Wucht fort. Ihr Körper aus Speckstein prallte gegen die Wand und zerbrach.

Danach schob er den Deckel des Sarkophags gänzlich zur Seite, bis er kippte und mit einem lauten Krachen auf dem Boden landete. Im Sarg lag eine junge Frau von betörendem Liebreiz. Sie hatte bodenlanges, lackschwarzes Haar und Haut wie weiße Jade. Ihr Haar war mit goldenen Nadeln, die mit Perlen verziert waren, hochgesteckt, und trug ein Halsband aus Goldfiligranarbeit. Gekleidet war sie in die seidenen Gewänder vom Osten KanThaiPans, wie man sie am Hofe des Jadekaisers vor mehreren hundert Jahren trug. Sie sah aus, als würde sie nur schlafen.

Als er sich neugierig und zugleich fasziniert über die beugte, um sie zu betrachten, da tat sie ihre Augen auf. Sie erhob sich und schaute sich verwundert um und Sarazian in die Augen. Mit einer freundlichen und zugleich ruhigen Stimme stellte sie sich ihm als Mikifune vor und wäre die Geliebte des Magiers ZuFong. Als dieser seinen Tod nahen spürte, hätte er, wohl aus Eifersucht, einen Zauber über sie verhängt. Sie sollte in diesem Grab schlafen, bis er einst zurückkehren würde.

Sarazian reichte ihr die Hand und half ihr aufzustehen. Nachfolgend erklärte er ihr etwas von dieser Welt und wieviel Zeit mittlerweile vergangen war. Doch irgendetwas schien ihm seltsam, beinahe so, als würde sie ihm etwas verheimlichen, und das, obwohl er nicht gerade über sehr viel Menschenkenntnis verfügte. Er hakte weiter nach, ohne zu aufdringlich zu wirken, bis sie ihm die Wahrheit preisgab. ZuFong hatte sie vor sehr langer Zeit aus den Grünen Hügeln hier in diese Welt beschworen, als er versehentlich seine Fähigkeit entdeckte seine Bilder zu manifestieren. Ihr Blick fiel dabei auf den Wandschirm mit der Aussparung einer Katze. Sie lebte viele Jahre gemeinsam mit ZuFong zusammen, bis sie sich in ihn verliebte. Auch wenn es eine glückliche Zeit war, so sehnte sie sich doch nach der Freiheit ihr Leben selbst zu bestimmen. Durch ihren Silberfaden, der sie durch die Beschwörung verband, war sie nämlich an ihn gebunden, solange er lebte. Sarazian verstand. Das Szepter, was sie in der Pagode gefunden hatten, enthielt die Seele ihres Meisters und wenn man dieses zerstören würde, dann würde sie frei sein. Er unterbreitete ihr den Vorschlag sie zu befreien, da er ihren Augen nicht widerstehen konnte.

Mikifune ging zur Truhe und kniete sich im Frauensitz davor hin. Ihre zierlichen, zarten Finger spielten seitlich am Schloss herum, sodass der hervorspringende wohl vergiftete Dorn sie nicht berührte. Sie öffnete den Deckel. Darin befanden sich Schminkdöschen aus Gold, ein elfenbeinerner Kamm, ein silberner Spiegel, etliche schön gearbeitete Dosen und Schüsseln in Lackarbeit, sowie mehrere farbenprächtige Gewänder. Sie nahm den Kamm, den Spiegel, sowie die Kleider an sich. Sarazian nahm ihr die Habe ab und verstaute sie in seinem langsam überquillenden Rucksack.

Allerdings benötigte sie noch etwas anderes, was ihr sehr wichtig war. Dies war der Fächer, den ihre Statue im Heiligtum in der Hand hielt. Also schritten sie die unzähligen Stufen hinab. Akitoki staunte nicht schlecht, als er die ihm bekannte Frau nach einer schieren Ewigkeit wieder erblickte. Während sie den Fächer an sich nahm bat Sarazian sie um ein klein wenig Geduld. Er nahm nämlich noch die Gelegenheit wahr, um die Inschriften auf der Steintafel des Großen Ho abzuschreiben. Seine Kameraden mögen ihm verzeien, dass er ihnen nicht folgte. Doch zuvor müsste er einem Menschen die Freiheit schenken - dafür hätten sie mit Sicherheit Verständnis.

Wenig später befanden sie sich im obersten Raum der Pagode. Sarazian riss das schwarze Tuch vom mittleren Tisch und beide blickten auf das schwarze Szepter, auf dem in Linien winzige Lichtpunkte liefen. Er war sich der Gefahr durchaus bewusst, die davon ausging. Daher tat er es Tarion gleich, umhüllte den Stab mit einem Stück Stoff und ergriff es. Der Gedanke daran ein solch mächtiges und einzigartiges Artefakt zu zerstören und gleichfalls einem der mächtigsten Magier aller Zeiten ein Ende zu versetzen, missfiel ihm. Andererseits konnte er sich auch nicht mit dem Gedanken abfinden eine Frau in Not im Stich zu lassen. Während er das Artefakt betrachtete, bemerkte er eine Art Hilflosigkeit oder Verzweiflung in Mikufunes. Er verstaute den Stab in seinem Gepäck und mit einem Mal fiel der bedrückende Zustand von Mikifune ab und ihr Blick klärte auf. Sie erzählte ihm, dass es nur einen einzigen Weg gäbe das Szepter zu zerstören. Man müsste es in den Schlund eines ganz bestimmten Vulkans weit im Süden werfen.

Später saßen sie in einer öffentlichen Stube eines Ryokans, einer Herberge, in der Provinzhauptstadt SuiFeng und lauchten den beruhigenden und meditativen Klängen einer Musikmeisterin, die auf einem Koto spielte. Bei einem grünen Tee erzählte er ihr von seiner Suche nach seinem Stiefbruder und der großen Pilgerfahrt, auf der er sich mit seinen Begleitern befand. Sie neigte ihren Kopf etwas zur Seite und fragte ihn, ob er dann kein schlechtes Gewissen hätte, wenn er sich nun für sie von ihnen für einen gewissen Zeitraum trennte und ob sie dann nicht einige von ihren gefundenen Wertsachen für seine Gruppenmitglieder zurücklassen sollten. Sarazian entgegnete ihr, dass er deswegen keine Skrupel empfand. Immerhin hätte er sein eigenes Leben für sie und ihre Mission riskiert und wie hätte man es ihm gedankt? Niemand interessierte sich von ihren für seine Geschichte oder fragte einmal nach seinem Wohlergehen. Und beim Fund von Wertgegenständen krallte sich ein jeder einfach egoistisch die besten Fundstücke, ohne auch nur im Entferntesten an die anderen Mitstreiter zu denken oder diese Gegenstände gerecht aufzuteilen. Ihn hatten sie dabei fast immer leer ausgehen lassen. Nicht nur einmal wurde er auch Zeuge davon, wie einer von ihnen Fundstücke vor den anderen verbarg. Er hatte jedes Mal vor den anderen darüber geschwiegen, damit es nicht zu Streitigkeiten innerhalb der Gruppe kam. Obwohl er jetzt so offen über seine Weggefährten sprach, sollte sie aber keinesfalls schlecht über sie denken, denn wenn es darauf ankam, waren sie stets zur Stelle, um helfend einzugreifen.

Einige Tage später standen sie am Grab von Rodric. Seine wildesten Befürchtungen bewahrheiteten sich, denn das Grab war geöffnet und der Leichnam seines Bruders verschwunden. Dann war das Erlebnis in der Grabkammer doch keine Illusion gewesen, dachte er sich. Mit Tränen in den Augen sprach er still und leise ein Gebet himmelwärts vor sich hin, damit die Seele Rodrics die Erlösung finden sollte, die er sich ihm wünschte. Mikifune näherte sich ihm von hinten. Ihre Arme griffen unter seinen hängenden Armen hindurch und kreuzten sich auf seiner Brust. Sie vergrub ihren Kopf hinten an seiner rechten Schulter und bedauerte sein Schicksal. Siese Art von Mitgefühl gab Sarazian Kraft die bevorstehende Reise zu meistern.

Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel, als sie über einen breit ausgetretenen Pfad über die weite Ebene in Richtung Süden liefen. Seine letzten Ersparnisse hatte er für Reiseproviant und alltagstaugliche Kleidung für seine Begleiterin ausgegeben. Nun hatte er sich seine Ziele gesteckt und rief sie sich noch einmal ins Gedächtnis. Zu allererst wollte er Mikifune befreien, in dem er ZuFongs Szepter in den feuerspeienden Schlot des Vulkans werfen und danach zu seinen Gefährten zurückkehren würde. Er kannte ihren vorherbestimmten Weg und war sich sicher sie an einem ganz bestimmten Punkt abfangen zu können. Zu gutzer Letzt würde er nach ihrer heiligen Mission die Suche nach Rodric fortsetzen und ihn irgendwie wieder zur Besinnung bringen.

 

Akt 43:

Abschied von den Mönchen:

 

teilnehmende Abenteurer:

Fela Garcia (Küstenstaaten, Heilerin), Alestor (Albai, Krieger), Miya (NPC), Alberic (Albai, Glücksritter), Tarion (Albai, Assassine)

 

Die Gruppe erwachte im unterirdischen Areal unter dem Felsengrab und zu Fuße des Mondlampions liegend und sah sich um. Leider war auch hier nirgends eine Spur von Sarazian zu entdecken. Dann richteten sie ihre Blicke auf ihren Begleiter Harkon, in der Befürchtung, er könnte jeden Augenblick sterben und als Untoter wieder auferstehen. Doch er machte noch einen normalen Eindruck.

Fela nahm diese Verschnaufspause wahr und ließ sich die Muschel von Alberic überreichen. Mittels ihrer Magie analysierte sie sie. Von ihr ging ebenfalls eine solch enorme magische Energie aus, wie von ihrem Stab. Sie triefte förmlich vor Lebenskraft. Allerdings wurde ihr bewusst, dass sie für eine genauere Analyse hinsichtlich der magischen Eigenschaften der Muschel wohl einen gut ausgebildeten Thaumaturgen benötigte. Tarion kramte in seinem Rucksack herum und holte eine Flasche Rum heraus, die er jedem anbot. Die meisten waren aber aufgrund der kürzlich erlebten Ereignisse nicht dafür in Stimmung. Miya nippte aber an der Flasche und verzerrte umgehend ihr Gesicht. Dieses im Rachen brennende Getränk fand sie widerwärtig.

Akitoki näherte sich ihnen mit geisterhaften unhörbaren Schritten und lobpreiste sie für ihren Erfolg und ihre gelungene Rückkehr. Auf die Frage nach Sarazian entgegnete er ihnen, dass dieser ihnen erst gar nicht durch den Mondlampion folgte, sondern stattdessen hiergeblieben war. Er hätte nur etwas davon gemurmelt, dass er etwas untersuchen müsste, was ihm die Heilerin kurz zuvor erzählt hatte. Dann ging er nach oben, nur um nach etwa einer Stunde wieder in Begleitung einer jungen, hübschen Frau zurück zu kehren. Akitoki dachte nach (Int 1) und sagte, die Frau an seiner Seite war der einstigen Gemahlin ZuFongs wie aus dem Gesicht geschnitten. Dann blickte er zurück in die Haupthalle in dessen Zentrum die zwei Statuen standen. Sie zeigten ZuFong mit seiner Angebeteten. Dann merkte er noch an, dass sie den Fächer, den die weibliche Statue in den Händen gehalten hatte, noch mitnahmen und wieder nach oben gingen. Das war vor zwei Tagen.

Die Abenteurer begaben sich über die Säulen mit den Teleportationssymbolen und über die unendlichen Treppenstufen nach oben in die Kammern des Felsengrabes. Im großen und weiträumigen Ahnensaal angelangt, zogen sich hinter ihnen die steinernen Stufen in die Wände des Schachtes zurück und die massive Verschlussplatte rückte wieder in ihre Ausgangsstellung.

 

Weiter in Akt 43:

Abschied von den Mönchen:

 

teilnehmende Abenteurer:

Fela Garcia (Küstenstaaten, Heilerin), Alestor (Albai, Krieger), Miya (NPC), Alberic (Albai, Glücksritter), Tarion (Albai, Assassine), Harkon (Valian, schwarzer Hexer und Ermittler), Adrasteia (Chryseia, Händlerin)

 

Just in diesem Moment der Rückkehr vernahm Alestor wieder die Stimme des Geistersamurais in seinem Kopf, die erwartungsvoll auf seine Antwort wartete, in ihn fahren zu dürfen, um Harkon zu köpfen und somit sein Versprechen einzulösen. Alle anderen konnten diese Stimme nicht vernehmen und blickten nur den Krieger an, als dieser gedankenverloren in sich ging, um alle Eventualitäten abzuwiegen. Nachdem er dem Geist eine Antwort schuldig ließ und weiterhin schwieg und ihn ignorierte, verstummte die Stimme.

Gemeinsam verließen sie das Felsengrab und nachdem sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnten, bemerkten sie die am Eingang stehende Adrasteia. Sie war in den vergangenen beiden Tagen mehrmals zum Grab zurück gekehrt nachdem sie plötzlich verschwunden waren und nicht wieder auftauchten.

Obwohl die Nachmittagssonne hoch am Firmament stand und gleißende Sonnenstrahlen auf sie hinab fielen, machte dies Harkon nichts mehr aus. Im Gegenteil. Er zog seine Kapuze herab und genoss das warme Gefühl auf seiner Haut. Ein Gefühl, welches er seit den Tagen des Kriegs der Magier nicht mehr fühlte. Tarion ging zu ihm herüber, kramte in seiner Tasche und reichte ihm eine Flasche moravischen Wodkas. Blind griff dieser die Flasche, setzte sie an seinen Mund an und nahm einen Schluck. Fehler! Neben dem Brennen in Mund und Rachen, spürte er zudem eine Bewegung in seinem Bauch, wie sein Magen kontrahierte und verzweifelt versuchte sich der Flüssigkeit zu entledigen. Sekunden später lehnte er an einem Felsen und erbrach sich unter Stöhnen.

So kehrten sie ins Kloster zurück, wo die Mönche nach der Genesung ihres Abtes anfingen, die Spuren des Brandes im Haupthaus zu beseitigen. In der folgenden Woche griffen ihnen die Abenteurer hilfreich unter die Arme, ruhten sich aus, schlossen sich dem morgigen Trainingseinheiten an und lernten von ihnen.

Fela Garcia konnte derweil ihre Fähigkeiten der Heilkunde noch etwas vertiefen und eignete sich die Kunst der Akupunktur an. In dieser Zeit nahm Fela Garcia auch die Gelegenheit wahr in einer ruhigen Minute meditativ Kontakt mit ihrem Mentor Jokamadorus aufzunehmen. Dieser nahm Verbindung zu ihr auf, sodass ihm Fela ihr Anliegen erklären konnte. Mittlerweile hatte sie als Heilerin beinahe alles erreicht, was möglich war zu erlernen. Darum bat sie darum sich ihm gänzlich zu verschreiben. Der Mentor war freudig überrascht dies zu hören und bat ihr sogleich an, sie auf den Weg einer weißen Hexe zu führen. Damit verpflichtete sie sich aber auch seine Aufträge wie Ordenskrieger zu übernehmen. Damit konnte Fela gut leben und bedankte sich für diese Möglichkeit.

Nachdem Alberic seine ersten Lektionen in KiDo, den kanthanischen Kampfkünsten, meisterte, suchte er in einer freien Minute den in einen Affen verwandelten Bibliothekar KamburaYaki auf, dem es seit dem Tod des Hohepriesters auch besser ging. Kein Elementargeist hielt ihn mehr in der Pagode gefangen, sodass er sich nun innerhalb des Klosters auch am Tage frei bewegen konnte. Der Glücksritter fragte ihn, ob er jemand kannte, der ihre gefundenen magischen Artefakte untersuchen konnte. Der Affe nahm einen Zettel und schrieb ihm seine Antworten darauf. In SuiFeng gab es einen bekannten Glücksspielmagnaten und geduldeten Unterweltboss mit Namen KoreMitsu, der sicherlich eine Möglichkeit kannte, dies zu tun. Dann wandte sich der Bibliothekar von ihm ab und kramte aus einem Regal ein Fläschchen mit einer Flüssigkeit heraus, das er ihm dann überreichte. Es war der Entsteinerungstrank, um den sie ihn baten. Diese eine Dosis war nur sechs Wochen haltbar und durfte danach nicht mehr eingenommen werden, da danach die Nebenwirkungen nicht mehr abschätzbar waren.

Adrasteia suchte in diesen Tagen den genesenen Abt SaburoTaro in seinem Arbeitszimmer auf. Ihr ging es vor allem darum ihren eigentlichen Auftrag Handelskontakte mit dem TsaiChen-Tal zu schließen wieder aufzunehmen. Der Abt sagte ihr, dass es bestimmt schwierig werden würde dies zu erreichen, da das Land vom Rest der Welt stark abgeschottet wäre. Doch welche Waren hätte sie denn anzubieten? Die Händlerin holte ihre letzte Flasche chryseischen Kristallweins heraus, öffnete sie und goss etwas davon in ein Schälchen. Der Abt nahm es, roch kurz daran und probierte es. Der Wein schmeckte ihm und hatte tatsächlich Interesse daran, davon mehr im Bestand des Klosters zu wissen für diverse religiöse Rituale und Feste. Doch neben dem wohl hohen Preis, der aufgrund der weiten Überseereise zu befürchten wäre, gäbe es noch ein anderes großes Problem. Um mit den hiesigen Kaufleuten Handel treiben zu dürfen, brauchte sie die Erlaubnis eines der hiesigen Handelskontore und zudem die des Fürsten. Das Problem mit dem hohen Preis ließe sich aber recht einfach lösen, indem man Waren anstatt sie zu bezahlen gegen andere eintauschte, die es in ihrem Heimatland nicht gab, wie in etwa Teeblätter. Um das Oberhaupt der Handelsgilde im nahen SuiFeng für sich zu gewinnen, verfasste SaburoTaro ihr ein Empfehlungsschreiben und überreichte es Adrasteia.

Harkon ließ die Woche etwas langsamer angehen und genoss sichtlich sein Leben. Jeder Bissen einer Mahlzeit war für ihn ein Hochgenuss, seit er lebendig war und wieder Geschmäcker und Gerüche in all ihrer Vielfalt wahrnehmen konnte. Dann wurde er unverhofft von einem Jüngling aufgesucht, der sich förmlichst vor ihm verbeugte. Er war von KoreMitsu gesand worden, um ihm auszurichten, dass es seinem Herrn gelang eine moravische Hexenjägerausrüstung in seinen Besitz zu bringen. Allerdings müsste er persönlich dort erscheinen, um sie abzuholen. Harkon war verzückt dies zu hören. Allem Anschein nach entsprach es der Wahrheit, dass KoreMitsus alles irgendwie auftreiben zu können. Bevor der Jüngling seinen Rückweg antrat, überreichte ihm Harkon ein Goldstück für seine Dienste.

Derweil trainierte Tarion unablässig mit den Mönchen und verbesserte seine Kampffertigkeiten, nur um danach weiter Miya im beidhändigen Kampf zu unterrichten. Sie ging dabei mittlerweile mit zwei Dolchen so geschickt um, dass sie all seine Bewegungen perfekt imitieren konnte (20). In seinen Augen war sie nun bereit den Kampf mit zwei Kurzschwertern zu erlernen.

Eines Abends, nachdem sie ihr Abendmahl zu sich genommen hatten, trafen sich die Abenteurer im Grünen des Klostergartens, damit er ihnen einige der Besonderheiten der „wehenstillenden Muschel der Schwalben“ und Alberics Schwert „dem blauen Blitz“ erklären konnte. Zwar verfügte er nicht über ein thaumaturgisches Labor, konnte aber trotzdem zumindest einige Dinge in Erfahrung bringen.

Von der Muschel ging eine überaus starke Lebenskraft aus, so enorm, dass sie ihm bestimmt sogar Schaden zugefügt hätte, wenn er noch untot gewesen wäre. Vermutlich festigte sie sowohl den Geist als auch den Körper ihres Trägers und wirkte daher gegen Gifte oder Krankheiten.

Alberics Schwert war auch besonders. Auf der Klinge wirkte ein dauerhafter Zauber wie „Blitze schleudern“ oder „Donnerkeil“, der nur bei Berührung auf ein Ziel wirkte. Der Schwertschwinger hätte aber keinerlei Kontrolle über den Zauber, da dieser immer und bei jedem Treffer wirkte. Allerdings würde diese Tatsache auch den Träger mit der Zeit erschöpfen und er wusste nicht, ob sich dann danach das Schwert der Lebenskraft des Schwertschwingers bediente. Neben dem Zeichen des Meisterschmiedes Munetschika war auch noch ein Fuchssymbol in die Klinge eingraviert, was ihn an eine alte Geschichte dieses Landes erinnerte (siehe: Reihe I, Pilgerreise Band 2, Anthologie „der kleine Fuchs“). Dereinst fielen nämlich die Weißen Teufel an der Grenze zu Medjis als auch die Berekyndai aus der Tegarischen Steppe ins TsaiChen-Tal ein. Daher ließ der damalige Fürst von Munetschika ein Schwert schmieden, um die Barbaren zurück zu drängen. Hilfe soll der Meisterschmied durch einen gottgesandten Fuchs erhalten haben. Nachdem der damalige Kaiser durch den Krieg sein Land befriedete, gab er sich selbst den Titel des Friedensbringers. Harkon schmunzelte, da er die Tatsache lustig fand, dass sich jemand als Friedensbringer aufspielte, nachdem er zuvor Krieg führte.

Einen Tag darauf bat Alestor die Gruppe ihn zur Provinzhauptstadt SuiFeng zu begleiten, da er noch einen Schmied aufsuchen und seine Vorräte auffüllen wollte. Da sie alle dort etwas zu erledigen hatten, packten sie ein Großteil ihrer Habe zusammen und marschierten in die Stadt.

Am Stadtrand bemerkten sie einen Schmied und legten einen ersten Zwischenstopp ein. Während Alestor sich die angeboteten Waren anschaute, kaufte Tarion zwei Kurzschwerter und reichte sie Miya. Sofort wurde er mit hasserfülltem Blick des Kriegers bedacht. Alestor hatte es nicht vergessen, dass das Mädchen ihn mit einem Dolch im Rücken verletzt hatte und sie jetzt mit zwei Schwertern zu sehen behagte ihn mit einem mulmigen Gefühl.

Auf einer großen Marktstraße suchten sie das Gespräch mit einem der unzähligen Händlern und breiteten ihre angehäuften Fundsachen vor ihm aus, um sie zu Geld zu machen. Unweigerlich, und wie es Sarazian, wäre er dabei gewesen befürchtet hätte, kam es zum Streit, wem wie viel des Erlöses der Waren davon zustünde. Dabei fielen Argumente wer am meisten für die Schiffsreparatur der „Roten Seekuh“ beisteuerte und den Wagen kaufte. Alle atmeten einmal tief durch, um die Situation abzukühlen und um keine Aufmerksamkeit unter den anderen Marktteilnehmern zu erregen. Danach sichtete der Händler die von ihnen dargebotenen Waren und machte ihnen ein Angebot, welchem sie nach einigem Hin und Her bereitwillig eingingen. Einzig und allein der Dolch, der mit grünen Adern durchzogen war, den sie im Untergrund von Jigokuniochiru fanden, lehnte er angsterfüllt ab.

Danach zogen sie weiter durch die belebten Straßen der Großstadt. Unterwegs machte sich Harkon so seine Gedanken um den Dolch. Seiner Ansicht nach war dieser in der Lage durch die Verletzung eines Opfers diesem Lebensenergie zu entziehen und diese dann wie ein Transmitter zu einem anderen Ort oder Wesen zu leiten.

Sie beschlossen als nächstes das Kasino und Vergnügungshaus von KoreMitsu aufzusuchen, welches neben dem alles überragenden Schloss und einigen hoch aufragenden Pagoden von Schreinen und Tempeln das höchste in der gesamten Stadt war. Auf dem Weg verabschiedete sich Adrasteia von der Gruppe, denn sie hatte noch etwas Wichtiges in der hiesigen Händlergilde zu erledigen.

Nicht viel später gelangte Adrasteia vor dem prunkvollen Bau der Gilde an und konnte die zwei Wachen am Eingang davon überzeugen sie zum vorsitzenden der Händler zu geleiten. Das Gildenoberhaupt residierte in einem von Prunk schier überquellendem Arbeitszimmer und hieß Ching. Ohne Umschweife kam Adrasteia zum Eigentlichen und fragte ihn nach einer Erlaubnis Handel mit ihnen führen zu dürfen. Das Gildenoberhaupt stand von seinem Platz auf und musterte die Frau abschätzig. Adrasteia ging ein Licht auf und erinnerte sich an die hierzulande geltende Etikette, verbeugte sich vor ihrem Gegenüber, stellte sich vor und begann von vorne. Jetzt wirkte Ching offener und begrüßte sie, woraufhin sie ihr Anliegen erneut vortrug. Doch welche Waren könnte sie seinem Volk sonst noch anbieten können? Fisch hatten sie schließlich genug und die KanThai taten sich schwer damit anderen Völkern auf Augenhöhe zu begegnen, die sie allesamt als barbarische Kulturen ansahen. Sie überreichte ihm das Empfehlungsschreiben von Abt SaburoTaro und erzählte ihm von den Luxusgütern Chryseias wie erlesenen Weinen und Olivenöl, welches sogar das Haarwachstum bei der Anwendung bei einer Massage anregen konnte. Ching war nicht abgeneigt und verlangte bei ihrem nächsten Besuch hierzulande eine Kostprobe ihrer beworbenen Waren. Unmittelbar versprach sie ihm dies in naher Zukunft einzureichen und erhielt von Ching das Empfehlungsschreiben inklusive seines Stempels zurück. Adrasteia verließ das Gildenhaus trotz dieses Erfolges mit gemischten Gefühlen. Der Umgang mit adligen TsaiChin bereitete ihr noch immer Unbehagen.

Die anderen Abenteurer näherten sich dem Gebäude KoreMitsus diesmal von einer anderen Seite her an. An einer Ecke des Hauses waren dichtmaschige Gitterstäbe aus Holz eingelassen, hinter denen sich in einem Raum viele Frauen mit weiß geschminkten Gesichtern, in reich bestickten Kimono und mit Stäbchen hochgesteckte und mit goldenen Ornamenten versehenen Frisuren ihr Dasein fristeten. Es handelte sich wohl um Frauen, die für die Bedienung von Schulden von ihren Familien an dieses Etablissements verkauft wurden und nun für Freier ausgestellt wurden. Miya kannte diese Wahrheit jedoch nicht, merkte jedoch an, dass diese Frauen irgendwie traurig wirkten. Sie beschleunigten ihre Schritte, um ihr keine Erklärung geben zu müssen. Die hier herrschenden Menschenmassen wirkten sich bedrohlich auf Felas Pantherjunges aus, den sie an einer Leine an ihrer Hand führte. Da sich ihre Katze dauerhaft versuchte loszureißen, um diesem Stress zu entgehen, beschloss die Heilerin nicht ins Gebäude zu gehen, sondern stattdessen mit Miya gemeinsam ein stilleres Plätzchen zu suchen.

Die Wachen am Haupteingang dieses Spiel- und Lusthauses erkannten Harkon umgehend. Sie begrüßten ihn, da er auf der Gästeliste stand und baten ihn und seine Freunde ihnen ins Innere zu begleiten. Ohne Miya, Fela Garcia und Adrasteia folgten die männlichen Charaktere den Wachen ins Innere. Über das große zentrale Treppenhaus ging es an diversen Kneipen und Separates über schier unendliche Stufen nach oben. Doch als Tarion unbändigen Durst verspürte, löste er sich von seiner Gruppe und betrat eines der schön eingerichteten Gaststuben.

In seinem Büro begrüßte schließlich KoreMitsu Harkon, wie einen alten Freund. Er hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt um nur für ihn eine der seltenen Ausrüstungen eines moravischen Hexenjägers aufzutreiben. Schließlich wollte er seinen Ruf nicht gefährden wirklich alles organisieren zu können, gegen das nötige Kleingeld verstand sich. Allerdings gäbe es daran noch einen kleinen Haken. Die begehrte Kluft samt Ausrüstung befand sich nämlich noch an dem entsprechenden Hexenjäger. Diesen hatten seine Handlanger zufällig zwei Tage zuvor im Umland aufgegriffen und überwältigt, um ihn anschließend hierher zu schaffen. Der Unterweltboss führte sie in ein Nebenzimmer, welches seiner Einrichtung nach wohl eher für abendliche Stunden zu zweit gedacht war, als für ein Arrestzimmer. In der Raummitte stand der Morave balancierend auf der Lehne eines Stuhls und mit einer von einem Deckenbalken herabhängenden Seilschlinge um seinen Hals. Er war geknebelt und seine Arme waren hinterm Rücken fest zusammen gebunden. Er wirkte stark übermüdet, war abgemagert und durchgeschwitzt. KoreMitsu zeigte sich wirklich erstaunt, dass ein Mensch überhaupt in der Lage war diese Körperspannung über eine solch lange Zeit aufrecht zu erhalten. Er musste wirklich über einen übermenschlich starken Überlebensinstinkt verfügen. Für diese Gefälligkeit verlangte er achthundert Goldstücke. Während Alberic und Alestor über diese Summe staunten, überreichte Harkon dem Adligen sogar eintausend Goldstücke, wenn er auch die Leiche haben dürfte. KoreMitsu zeigte sich einverstanden. Immerhin konnten sich seine Diener somit sparen die Leiche entsorgen zu müssen. Angewidert drehte sich Alberic um und verließ den Raum, während Harkon sich dem Moraven näherte und ihm in die glasigen Augen starrte. Der Vucub entschuldigte sich bei dem Leidenden und stieß den Stuhl fort. Frei in der Luft baumelnd wand er sich noch einen Moment und stöhnte in seinen Knebel, ehe er seinen letzten Atemzug tat. Innerlich war Harkon jedoch froh darüber, dass sowohl Fela Garcia als auch Tarion nicht Zeuge von seiner Tat wurden, als er der Leiche seine Habe raubte. KoreMitsus versprach, dass seine Diener den Toten für ihn zum Haupteingang bringen würden, damit er sich selbst nicht die Mühe machen musste.

Da sie nun schon einmal hier bei jemandem waren, der seine Augen und Ohren überall hatte, fragten sie KoreMitsu, was er über den Jisatsu kage no mori, dem Selbstmordwald, wusste. Allerdings musste sich ihr Gegenüber bei ihnen entschuldigen, da seine Kenntnisse darüber gegen null ging. Er verwies sie jedoch an seinen Privatmagier ein Stockwerk tiefer. Zwar durfte niemand außerhalb der Priesterschaft und der Heiler sowie einiger Onmyōji Magie im TsaiChen-Tal ausüben, jedoch gönnte er sich diesen Luxus einen richtigen Magier angestellt zu haben. Niemand wäre so verrückt ihn zu verraten und sich freiwillig seiner Rache auszusetzen.

Derweil hatte es sich Tarion etwas in einer der Gaststuben, einer besseren Art einer Taverne, gemütlich gemacht. Die Räumlichkeit war mit farbenprächtigen Malereien an Wänden und Paravents ausgestattet, offenherzige Frauen in teuren Kleidern beglückten Gäste, ein Musikmeister sorgte für Unterhaltung und zarte Rauchfahnen von Opiumpfeifen schlängelten sich durch die Lüfte. Als eine Bedienstete ihm nach seinem Getränkewunsch fragte, bestellte er wie Monate zuvor im Dungschieber im chryseischen Argyra ein U-Boot. Die Frau legte neigte ihren Kopf zur Seite und blickte ihn fragend an. Daraufhin erklärte er ihr mit landestypischen Getränken, dass dies ein Schälchen Pflaumenschnaps wäre, welches man in einem Krug Sake versenkte. Tatsächlich erhielt er wenig später das Getränk. Interessiert nahm ein Ronin neben ihm Platz und stellte sich als Yosuke vor, ehe er dasselbe Getränk orderte. Gemeinsam stießen sie an und genossen die Zeit.

Einige Etagen über ihnen suchten Tarions Kameraden den Magier Hideki auf. Dieser war schon gehobenen Alters und kleidete sich in lange seidene, fließende Gewänder und fuhr sich nahezu bei jeder Gelegenheit mit seiner rechten Hand durch seinen langen weißen Bart. Er erklärte ihnen, dass es in diesem Land zwei Selbstmordwälder gäbe. Einen im Osten und einen im Westen. Dies führte bei den Abenteurern zu einer Verwirrung. Sie deuteten die Karte der Pilgerfahrt auf dem Himmlischen Flügelgewand und meinten, dass ihr Ziel im Westen wäre. Hideki fuhr sich abermals durch seinen Bart und begann zu erzählen. Im westlichen Wald, dem Aokigahara, dem Wald ohne Wiederkehr, der am Fuße des HoSchan-Massivs lag, gab es jede Nacht eine Erscheinung, die, obwohl sie nie in ihrer wahren Gestalt auftauchte, Menschen unweigerlich tötete. Nachts darauf bediente sich dieser Geist, oder um was auch immer es sich handelte, der Körper seiner Opfer ver vorherigen Nacht, um unvorsichtigen Personen erneut aufzulauern. Das Wesen kündigte sich zuvor mit einem leicht anschwellenden Gemurmel an, welches scheinbar belanglose Worte der Entschuldigung murmelte. Doch sobald jemand diese Stimme in seinen Ohren vernahm und nicht sofort den Wald verließ, wäre sein Schicksal besiegelt und sein Tot gewiss. Vor einigen Jahren wollte das Ministerium für Innere Angelegenheiten und Sicherheit das Mysterium dieses Waldes lichten und entsandte darum einige Untersuchungsbeamte dorthin. Von dieser Gesandtschaft kehrte jedoch nur ein einziger Beamter völlig verstört zurück. Trotz seiner verzerrten Worte konnten die Zuständigen einige wichtige Erkenntnisse gewinnen. So zum Beispiel, dass dieser Wald tagsüber sicher war und die heraufziehende Gefahr sich nur nachts zeigte (siehe: Reihe 0, Verflucht und Dämonenkerker, Anthologie „der Herzlich“). Sie schluckten, waren sich aber einer Meinung diesen Wald vor Einbruch der Dämmerung verlassen zu müssen und ihr Lager weit vor dem Waldrand aufzuschlagen. Allerdings kam ihnen eine Sache seltsam vor. Sie hatten schon einiges von diesem Wald Gehört, doch diese Gruselgeschichte, die ihnen der Magier gerade erzählte, hatten sie bis dato noch nicht gehört. Soll das wirklich der Wald sein, in den sie mussten? Um sicherzugehen, fragten sie ihn nach dem Aufenthaltsort des Meisterschmieds Hattori Hanzo, woraufhin Hideki sie an den östlichen Wald verwies. Sie atmeten etwas erleichtert auf. Scheinbar hatten sie die Karte und damit die Himmelsrichtung auf dem Himmlischen Flügelgewand falsch herum gehalten, da sie nicht genordet war. Hideki erklärte ihnen weiter, dass der Fluch dieses Selbstmordwaldes vor langer Zeit durch eine fehlgeschlagene Geisterhochzeit ausgelöst wurde. Näheres konnte er ihnen aber auch nicht mitteilen, da Menschen für gewöhnlich diesen verfluchten Landstrich mieden.

Danach baten sie den Magier, der auch in den Kenntnissen der Thaumaturgie geschult war, drei magische Gegenstände zu identifizieren. Trotz seines hohen Alters ging Hideki mit gekonnten Handgriffen ans Werk und analysierte sowohl die „Muschel der Schwalben“, den „Blauen Blitz“ als auch den Dolch mit seinen grünen Adern.

Laut ihm verlieh die Muschel seinem Träger aufgrund ihrer starken in ihr verankerten Lebensenergie eine vierfach erhöhte Regenerationsfähigkeit, als für selbst einen gesunden jungen Menschen möglich war. Der Träger bräuchte wohl auch nur noch die Hälfte seines Schlafes, um sich zu erholen und erhielt eine solch hohe Robustheit, dass dieser immun gegen sämtliche Krankheiten und Vergiftungen wurde. Um diese Wirkung zu entfalten musste sie jedoch mindestens eine Woche am Körper getragen werden.

Auf dem Schwert wiederum lag ein dauerhafter Zauber von „Blitze schleudern“, der bei jedem Schlag ausgelöst würde. Die Klinge machte dabei aber einen Unterschied, ob das Ziel eine Gefahr darstellte. Tote Objekte zum Beispiel würden nicht durch die Blitze getroffen werden. Allerdings bestünde die Gefahr, dass, wenn der Träger erschöpft war, sich das Schwert der Lebenskraft seines Trägers bediente, um diese Magie auszuführen.

Den Dolch mit den darin eingelassenen grünen Adern wiederum fasste er gar nicht erst an, sondern untersuchte ihn lediglich per Betrachtung und mit entsprechenden Werkzeugen. Der Dolch hatte eine direkte Verbindung zu der Dunklen Dreiheit, denen er das Sa seiner Opfer direkt zukommen ließ. Des weiteren warnte er seine Besucher davor den Namen einer der Gottheiten der Dreiheit in dessen unmittelbarer Nähe zu nennen, da dies unweigerlich zu der Herbeirufung eines ihrer Avatare führen könnte. Obwohl er fasziniert von diesem Dolch war, drängte er sie diese Waffe der Priesterschaft zur Zerstörung zu überreichen. Manche Gefahren waren es einfach nicht wert eingegangen zu werden.

Auf dem Rückweg durch das Treppenhaus nach unten Richtung Haupteingang, betraten sie die Gaststube, in die Tarion eine Stunde zuvor einkehrte. Er saß gemeinsam mit einem Ronin an einem niedrigen Tisch und trank. Als der Kopfgeldjäger seine Freunde entdeckte, stieß er ein letztes Mal mit Yosuke an und exte sein Getränk. Als Yosuke nach seinem weiteren Weg fragte, entgegnete ihm Tarion den Selbstmordwald. Der Ronin riss seine Augen auf und schaute ihn bestürzt an, ob er sich überhaupt im Klaren war, auf was er sich damit einließ. Der Wald war ein verwunschener Ort, in dem nicht nur Geister wandelten, sondern sogar einige Kami körperlich in Erscheinung traten. Angeblich wurde sogar der Kirin höchst persönlich dort schon gesehen. Und damit nicht genug. Seit einigen Wochen war die einzige Siedlung im Vordergrund des Waldes ein einziger Kriegsschauplatz gewesen. Er wünschte ihm und seinen Gefährten bei seiner Reise dorthin viel Erfolg und bestellte sich ein neues U-Boot bei einer der Bediensteten.

Sie verließen das Haus und die Männer KoreMitsus überreichten ihnen vor der Straße eine schwere Kiste. Harkon war glücklich zu wissen, dass sich darin die Leiche des moravischen Hexenjägers befand, stellte dann aber bedrückt fest, dass die Kiste jetzt in seiner menschlichen und lebenden Hülle viel zu schwer war, um sie allein zu tragen. Er brauchte Hilfe und versprach Alestor und Alberic je einen Gefallen, wenn sie für ihn die Kiste bis zu ihrem Wagen zum Kloster schafften. Hämisch grinsend schauten sich die zwei an und gingen auf das Angebot ein. Mit schnellen Schritten eilten sie voraus zum Kloster, holten ihren Wagen ab und fuhren in die Stadt zurück. Dort luden sie die schwere Kiste auf und begingen erneut den Weg zum Kloster. Harkon rollte mit den Augen, da er selbst nicht auf diese einfache Idee gekommen war. Für ihn war es, als ob er mit den versprochenen Gefallen einen Pakt mit dem Teufel eingegangen und nun endgültig seine Seele verloren hatte.

Da sich der Tag mittlerweile seinem Ende zuneigte, legten sie sich umgehend in dem ihnen zugewiesenen Raum der Stille schlafen. Adrasteia gesellte sich die Nacht zu ihnen. Mitten in der Nacht erwachte Alberic und stand auf. Nur mit seinem Nachtgewand bekleidet verließ er das Zimmer und schritt auf den Flur, nachdem er noch einmal kurz einen Blick auf die Schlafenden geworfen hatte. Adrasteia hatte jedoch Schwierigkeiten beim Schlafen und bemerkte daher das seltsame Verhalten von Alberic. Durch eine Befürchtung getrieben versuchte sie mit Worten ihre neuen Kameraden zum Aufstehen zu bewegen, doch der mächtige Stillezauber, der auf diesem Raum lag, machte dieses Unterfangen zunichte. Mit heftigem Rütteln gelang es ihr sie dann doch zu wecken. Auf dem Gang erklärte sie ihnen dann die Situation und dass sie meinte kurz gelb aufleuchtende Augen bei Alberic gesehen zu haben. Als sie dann noch die zurückgelassenen Kleidungsstücke ihres Freundes vor einer Mauer entdeckten, befürchteten sie das Schlimmste. Hatte er wirklich die vier Meter hohe Mauer erklettert? Schleunigst zogen sie sich an, rüsteten sich aus und durchstreiften sowohl das Kloster, als auch das umliegende Klostertal auf der Suche nach Alberic, wobei ihnen auch ihre Ringe, die es ihnen ermöglichten in der Dunkelheit zu sehen, gute Dienste erwiesen. Harkon breitete sogar seine Schwingen aus und erhob sich in die Luft, um einen besseren Überblick zu erhaschen. Da ihre Suche selbst nach einigen Stunden von keinerlei Erfolg gekrönt war, brachen sie schweren Herzens ihre Suche ab. Sobald der Morgen graute und es wieder hell wurde, würden sie ihre Suche fortsetzen.

Tatsächlich war Alberic nackt über die vier Meter hohe Außenmauer des Klosters gesprungen. Auf allen Vieren hechtete er in hohem Tempo durch das hohe Gras aus dem Tal heraus und auf die hell erleuchteten Lichter der nahen Menschenstadt zu. Nachdem er die Felder durchquerte schlich er in einen Hinterhof eines einfachen Hauses am Stadtrand von SuiFeng, klaute einen grauen Yukata, der unvorsichtig auf einer Wäscheleine hing und betrat auf zwei Beinen die trotz der Nacht noch belebten Straßen. Alles war mit bunten Lampions noch erhellt, in denen entweder kleine Kerzen brannten oder Glühwürmchen leuchteten. Nachtschwärmer durchstreiften die Gassen auf der Suche nach Vergnügen. An einem großen Platz erkannte er noch einige geöffnete Stände, an denen er sich mit Reisbällchen, Sake und gebratenen Tofu sättigte. Mit dem letzten Rest seines Geldes kaufte er sich noch einen blauen Seidenfurisode mit reichen Stickereien und kleidete sich daraufhin mit geübten Handbewegungen. Doch obwohl dies eigentlich ein Kleidungsstück für ledige Frauen war, schien dies nicht den Verkäufer oder später an ihm vorbei kommende Männer zu interessieren. Frauen blickten ihn sogar bewundernd an und erhaschte viele Blicke von teils erregten Männern. Er konnte keine seiner Bewegungen steuern und war selbst nur ein stiller Beobachter seines eigenen Körpers. War dies nur ein Traum?

Drei Stunden nach seinem plötzlichen Verschwinden kehrte Alberic in den Ruheraum zurück. Während alle bereits wieder schliefen, lehnte Harkon an der dem Eingang gegenüberliegenden Wand und beobachtete in aller Stille in seiner Nachtwache das Geschehen. Dabei bemerkte er die gelb leuchtenden Augen Alberics und auch seinen hinter ihm peitschenden Schwanz und seine spitz zulaufenden Ohren. Alberic nahm sein ursprüngliches menschliches Äußeres an, legte seinen Kimono sorgfältig zusammen und rollte sich beinahe katzengleich auf seiner Bettstatt zum Schlafen ein. Angepisst durch diese erneute nächtliche Störung stand Harkon auf, stampfte zu dem daliegenden Alberic, der den Anschein erweckte, als wäre nichts gewesen, und ohrfeigte ihn aus heiterem Himmel. Völlig perplex schreckte dieser daraufhin auf und verwickelte seinen Angreifer umgehend in eine Rauferei. Als ihm ein Boxschlag ins Gesicht von Harkons gelang, fuhr dieser seine Krallen aus, um ernst zu machen. Durch die Unruhen erwachten auch die anderen und schlichteten die Lage ehe die Situation noch eskalierte. Einige Augenblicke später standen alle auf dem Flur und ließen sich das Geschehene von ihrem vampirischen Kameraden erklären. Als er bei seiner Erzählung bei den fuchshaften Merkmalen angelangte, legte sich erst einmal Stille um sie. Jetzt realisierte Alberic erst, dass es sich bei seinem Erlebnis gar nicht um einen Traum, sondern um die Realität gehandelt haben musste. Tarion durchbrach dann die Stille, sie sich über sie gelegt hatte und stellte eine abstrus klingende Theorie auf. Wahrscheinlich war Alberic von der Kitsune besessen, mit der er auf den Fuchshügeln in der anderen Sphäre geredet hatte. Immerhin hatte er mit dieser geflirtet und ihr sogar nahegelegt ihr eines Tages seine Welt zu zeigen. Harkon hatte sich zwischenzeitlich wieder so weit beruhigt, dass er zu diesem Thema etwas beitragen konnte. Laut ihm gäbe es zwei Arten von Fuchsbesessenheit. Einerseits als eine Art Fluch, bei dem das Opfer so fremd handelte, als stünde es unter dem Zauber „Macht über Menschen“. Andererseits könnte ein Fuchsgeist sich von seinem Körper loslösen und seine Seele in einen Menschen fahren lassen. Letzteres geschah meistens, wenn ein Kitsune starke Gefühle für einen Menschen hegte. Tarion grinste bei der Letzt genannten Möglichkeit und nahm Alberic mit seiner „Gabe des Wahren Sehens“ in Augenschein. Sein Kumpane war vor seinem inneren Auge von einer grünen Aura umgeben, die auch einen buschigen Schwanz und spitz zulaufende Ohren zeigte. Darüber hinaus leuchteten seine Augen gelb. Da sie alle schon stark übermüdet waren und sich sehnlichst nach Schlaf sehnten, beschlossen sie die Klärung dieses Problems auf den nächsten Tag zu verschieben und betteten sich.

Am darauf folgenden Mittag verabschiedeten sich die Abenteurer von den Bewohnern des Klosters und erhielten von ihnen noch Rationen Reis für die kommenden Tage. Sie schworen sich aber nach der Erledigung ihrer heiligen Reise in das Kloster zurück zu kehren, um den Koch wieder mit seiner Frau zu vereinen und um den Nachfahren des Geistes, den Träger des Mals in Form eines roten Raben, zu finden.

Schon einen Tag nach ihrer Abreise eskortierten einige Mönche den Koch LiCho sicher durch die Reihen der Metallelementare hindurch, die noch immer den großen Gong malträtierten, in der Hoffnung, zufällig den Ton zu läuten, der sie zurück in ihre Heimatsphäre brächte. Nachdem sie den Rand des Klostertals erreichten, brach LiCho alleine auf, um seinem Fürsten die überfällige Nachricht bezüglich des bevor stehenden DsingMing-Festes zu melden und danach nach hause zurück zu kehren, um seine Frau LiLan in seine Arme zu schließen.

 

Akt 44:

Durch die Marschlande:

 

teilnehmende Abenteurer:

Fela Garcia (Küstenstaaten, Heilerin), Alestor (Albai, Krieger), Miya (NPC), Alberic (Albai, Glücksritter), Tarion (Albai, Assassine), Harkon (Valian, schwarzer Hexer und Ermittler), Adrasteia (Chryseia, Händlerin)

 

Seit geschlagenen zwei Wochen folgen die Abenteurer nun schon einfache Feldwege immer weiter nach Süden. Reisfelder, soweit das Auge reicht, erstreckten sich bis zum Horizont durch das fruchtbare und überaus feuchte Marschland. Trockene Stellen gab es kaum und nur die Flächen um die einzelnen Höfe, vereinzelte bewaldete Hügel und die höher errichteten Dämme für die Wege waren so begehbar, dass man keine feuchte Füße erhielt. Weit im Osten bauschten sich große Gewitterwolken auf und vereinzelt grollte das Donnern des weit entfernten Sturms zu ihnen hinüber.

Irgendwann führte der Weg, auf dem sie wandelten, in das Dunkle eines Feuchtwaldes hinein, der hauptsächlich aus Nadelgehölz und Sicheltannen bestand. In der Befürchtung, dies könnte ihr Zielort, der Selbstmordwald, sein, hielten sie kurz inne und rasteten. Nachdem sie den Waldeingang mit ihren Erkennungszaubern prüften und auch einen Blick auf ihre Karte warfen, atmeten sie beruhigt durch. Dies konnte unmöglich der verfluchte Wald sein, denn sie hatten noch nicht den großen Strom FangHo, der mancherorts auch TangHo genannt wurde, überquert.

Um dennoch all ihre Zweifel auszuschließen, kehrten sie einige hundert Meter zurück zum letzten Bauernhof. Der dort vor den Haus arbeitende Landarbeiter blickte sie aufgrund des plötzlichen Auftauchens dieser bunt zusammen gewürfelten zuerst völlig verwirrt an, ehe er sich fasste und sie begrüßte. Er konnte sie jedoch beruhigen, dass der Wald vor ihnen tatsächlich nicht der Selbstmordwald war, denn in dessen Vordergrund lag die Eisenhütte, die man keinesfalls übersehen konnte. Er erklärte ihnen, dass der Weg vor ihnen zu einer Brücke über den TangHo führte, bezweifelte jedoch aufgrund des heftigen Niederschlags im Gebirge dessen Begehbarkeit. Aber stromaufwärts gäbe es noch weitere Brücken und auch Fähren. Die Gruppe nahm noch die Gelegenheit wahr bei dem freundlichen und aufgeschlossenen Bauer sich günstig mit Reis einzudecken, auch wenn dieser zu Beginn nicht sehr davon begeistert war. Normalerweise war er nämlich verpflichtet die Hälfte seines Ertrages direkt an seinen Fürsten abzurichten. Und jetzt so viel Kleingeld in seinem Besitz zu wissen könnte die Aufmerksamkeit von Räubern erregen, die in letzter Zeit diese Gegend unsicher machten.

Stunden später folgten sie dem durchgetretenen Pfad durch den feuchten Wald. Dann vernahmen sie von einer Sekunde auf die andere flüsternde Stimmen aus einem Gebüsch unmittelbar vor ihnen auf der linken Seite. Vorsichtig näherten sie sich, bereit ihre Waffen zu ziehen, als zwei Gestalten daraus hervor sprangen und ihnen den Weg versperrten (SL 1). Ein dicker und dümmlich wirkender schweigsamer Glatzkopf und ein abgemagerter schmaler Mann mit vorstehenden Hasenzähnen in abgeranzter Lederkluft hielten der Gruppe ihre langen Messer entgegen und verlangten von ihnen die Herausgabe ihres Geldes und ihrer Vorräte. Tarion brauchte einen Moment, ehe er diese lächerliche Situation begriff, die sich vor ihnen abspielte, und lauthals anfing zu lachen. In den vergangenen Wochen kämpften sie gegen einen Seemeister, trotzten den Gefahren von Assassinen und einem dunklen Kult, durchquerten die Hölle, schlugen sich mit Geistern herum und traten gegen eine wahnsinnig gewordene Göttin und sogar einem Balrok in dessen leiblicher Form an. Und jetzt stellten sich ihnen zwei einfache Räuber entgegen. Er griff in seinen Leberbeutel und warf ihnen etwas von seinem Kleingeld vor die Füße. Schleunigst stürzten sich die zwei Räuber auf die Münzen und lasen alles vom Boden auf, nur um danach noch mehr von von den Abenteurern zu verlangen. Fela Garcia hatte die Schnauze gestrichen voll, da sie weiterziehen wollte und wirkte „Pflanzenfessel“. Binnen eines Augenblicks schnellten Ranken aus dem Untergrund hervor und wanden sich um die zwei Kriminellen. Sie ließen ihre Waffen fallen und konnten ihren scheinbaren Opfern nur noch gequält und bewegungsunfähig in die Augen schauen. Fela näherte sich ihnen und verlangte eine Entschuldigung. Sie willigten ein und nachdem die Heilerin den Zauber auflöste, waren sich die zwei Räuber unwürdig vor sie in den Matsch und verneigten sich so tief, dass ihre Stirne den Erdboden berührten. Danach schlugen sich die zwei in das Dickicht des Waldes zurück.

Tags darauf erreichten sie die Brücke über den mächtigen TangHo-Fluss. Leider bewahrheiteten sich die Worte des Bauerns. Der Fluss führte wegen der endlosen Regenfälle flussaufwärts so viel Wasser, dass er über die Ufer getreten war, sodass die Brücke vor ihnen inmitten des Flusses lag. Vorsichtig tastete sich Fela mit einem Stock voraus. Auch wenn das Wasser bis zum Anfang der Brücke wohl nicht sonderlich tief war, war die Strömung doch reißend. Da sie nicht die Gefahr eingehen wollten, ins Wasser zu stürzen und weit abgetrieben zu werden, mussten sie sich wohl oder übel nach einer anderen Möglichkeit umsehen. Vielleicht sollten sie eine der anderen Brücken vor dem Gebirge nutzen. Dort musste sich der Fluss schließlich ein tieferes Bett gegraben haben, sodass die dortigen Brücken bestimmt nicht unter Wasser standen. Harkon schickte seine vertraute Fledermaus aus, die etwas später zurück kehrte. Sie klärte ihn darüber auf, dass tatsächlich weit in der Ferne eine andere Brücke auszumachen war.

Sie kehrten in den Wald zurück und folgten an der letzten Kreuzung einem Pfad nach Osten. Der Himmel zog sich zu und erste Winde preschten durch die Baumwipfel über ihnen, als seichter Nieselregen einsetzte. Als ihre Kleidung und Ausrüstung schon durchgeweicht worden war, blieb auch noch ihr Wagen stecken. Eines der Holzräder steckte in einem Schlammloch fest. Mit vereinten Kräften schaukelten sie den Wagen soweit auf, dass ihr Pferd den Wagen herausziehen konnte.

Weil das Wetter noch heftiger und die Straße unpassierbar werden könnte, brauchten sie dringend eine Idee um solche Vorfälle zu verhindern. So kamen sie darauf mit vielen Ästen und Zweigen, die Harkon mittels „Befestigen“ auf die Räder kleben könnte, die Auflagefläche des Wagens zu vergrößern. Sie stellten den Wagen am Wegesrand ab und begaben sich auf die Suche.

Es erwies sich als außerordentlich schwierig anderes Gehölz als benadelte und leicht biegsame Äste zu finden. Miya ging auf eigene Faust los und rutschte dabei auf dem nassen Untergrund aus und stürzte in einen tiefen mit erdig braunen Regenwasser gefüllten Graben (1). Dieser war so tief, dass ihre Füße nicht mehr den Grund berührten. Unfähig zu schwimmen und sich lange über Wasser zu halten versuchte sie verzweifelt sich am glitschigen Hang hochzuziehen. Ohne Erfolg. Ihre Gefährten hörten ihre flehentlichen Hilferufe und eilten herbei. Selbstlos sprang Fela Garcia zu Miya ins feuchte Nass und packte sie, ehe ihre Kräfte versagten und sie sich nicht mehr über Wasser halten konnte. Tarion warf ihnen ein Seil zu und zog sie schließlich heraus. In den Armen der Heilerin fing Miya an leise zu wimmern. Sie alle waren nass und schmutzig.

Sie führten ihr Pferd mit dem Wagen zu einem etwas geschützteren Ort zwischen drei dicht beieinander stehenden Sicheltannen. Da das Nadelgehölz durch seine Biegsamkeit nicht geeignet war ein Dach über ihnen zu errichten, spannten sie die Plane ihres großen Zeltes über sich auf. Sie schafften einige faustgroße Steine herbei und verbrachten quälende Minuten damit ein wärmendes Feuer zu entfachen. Das feuchte Holz bereitete ihnen dabei größere Probleme, als zu Beginn bedacht. Als es ihnen dann gelang, entledigten sich Miya und Fela ihrer nassen Kleidung, hängten sie unter ihrem Unterschlupf an einem gespannten Seil zum Trocknen auf und wärmten sich am knacksenden Lagerfeuer. Während Tarion wieder in den Wald ging, um gerade und feste Äste für die Verstärkung der Wagenräder zu suchen, legte sich Alestor schlafen. Harkon nahm die nun gemütlichere Atmosphäre wahr und setzte sich zu den zwei Frauen ans Feuer.

Der Hexer nutzte diese Gemütlichkeit aus seine zwei Gefährtinnen nach ihrer genauen Herkunft zu befragen, denn bisher hatte er kaum eine geeignete Gelegenheit dafür gefunden. Miya erklärte ihm, dass sie, wie sie alle bereits wüssten, aus dem versteckten Dorf Kakureta-mura kam. In diesem kleinen Dorf wohnten insgesamt nur neunzehn Bewohner. Ihr Vater hieß Ryo und war Gemüsebauer. Vor ihrer Geburt hatte er aber schon einem Daimyo gedient, bevor er sich zur Ruhe setzte und dort ein einfacheres Leben suchte. Dort hatte er auch ihre Mutter Ran kennen gelernt. Sie war eine sehr gute Köchin. Dann wirkte sie traurig, denn sie durfte laut den Regeln der großen Pilgerfahrt nicht mehr zu ihnen zurückkehren. Der einzige Junge in ihrem Alter wohnte ihnen schräg gegenüber und hieß Iori. Doch dieser interessierte sich nie für sie, für die Belange des Dorfes und war stets desinteressiert an der Arbeit seiner Eltern. In jeder freien Minute posaunte er stets hinnaus das Dorf irgendwann zu verlassen, um sich eine neue Existenz in einer großen Stadt aufzubauen und ein Wirtshaus zu eröffnen. Harkon wandte sich auf albisch der Heilerin zu und meinte, dass vielleicht der wahre Grund, warum die Begleiter der Auserwählten nicht mehr in das Dorf zurück kamen, daran lag, dass höchstwahrscheinlich bisher alle auf ihrer Reise ihr Leben gelassen hatten. Wenn dies das Schicksal wäre, dann müssten sie alles unternehmen, damit Miya nicht dasselbe erwartete.

Dann erläuterte die Heilerin ihre Vergangenheit. Ursprünglich kam sie aus einer größeren Hafenstadt im Lande Leonessa, einem Teil der Küstenstaaten. Ihre Mutter und ihr Bruder starben schon früh an einer Krankheit und da ihr Vater die meiste Zeit über auf hoher See war, hatte sie den Haushalt häufig alleine meistern müssen. Daher wohnte sie auch häufig bei einer bekannten und angesehenen Heilerin, einer Freundin ihrer Familie, bei den Docks. Eines Tages erhielt sie die schwere und vernichtende Nachricht, dass das Schiff, auf dem ihr Vater beschäftigt war, versenkt wurde. Sie sollte ihn niemals wiedersehen. In der Folgezeit veräußerte sie den Wohnstand ihrer Familie und zog mit ihrer wenig verbleibenden Habe bei der Heilerin ein, die sie herzlichst aufnahm. Wegen ihrer Geschichte wurde Harkon auch gewiss, warum Fela Garcia den Weg einer Heilerin eingeschlagen hatte. Sie wollte wohl mit aller Macht verhindern, dass jemand anderes die gleichen Schicksalsschläge erlitt, wie sie. Daraufhin versuchte er bedrückende Stimmung, die sich über sie gelegt hatte, mit einem Scherz zu vertreiben. Da ihr Vater ein Seemann war, könnte es doch bestimmt auch sein, dass sie andernorts noch Halbgeschwister hatte, von der sie bis dato noch nichts wüsste. Fela nahm seine Worte mit gemischten Gefühlen auf.

Dann näherte sich durch die heraufziehende nächtliche Dunkelheit eine Gestalt. Es war Tarion, der mit mit einem ganzen Pack langer Zweigen beladen war. Ein ganzes Stück von hier entfernt hatte er nach geraumer Zeit eine allein stehende Weide gefunden und deren Äste abgeschnitten. Nun wanderte sein Blick über die beschauliche Lagerfeueratmosphäre und warf ihnen verärgert die Zweige vor die Füße. Während er in der Nässe und Kühle der Nacht gearbeitet hatte, ließen es sich scheinbar seine Kameraden gut gehen. Um Tarion nicht weiter zu verärgern machten sie sich sogleich daran die Zweige in kurze Stücke zu schneiden, die Harkon danach magisch an die Räder ihres Wagens klebte. Durch die unzähligen gewirkten Zauber war Harkon so erschöpft, dass er sich auf die Ladefläche des Wagens legte und zu Atem kommen musste. Zu ihrem Glück waren sie rechtzeitig mit ihrer Arbeit fertig geworden, als heftiger Starkregen einsetzte und die ohnehin schon nassen Böden nun gänzlich unter Wasser setzte. Die Marschlande machten ihrem Namen wahrhaft Ehre.

 

Akt 45:

Weiße Füchse:

 

teilnehmende Abenteurer:

Fela Garcia (Küstenstaaten, Heilerin und weiße Hexe), Alestor (Albai, Krieger), Miya (NPC), Tarion (Albai, Assassine), Harkon (Valian, schwarzer Hexer und Ermittler)

 

Mitten in der Nacht meinte die Heilerin eine klare Stimme zu vernehmen (20), die durch den Regenguss in ihre Ohren drang. Sie warf ihre Decke zurück und stand auf. Die Stimme, ein Hilferufen, erklang erneut und da bemerkte sie auch schon in einiger Entfernung eine einsame junge Frau in einem schlichten Kimono den nahe gelegenen Waldweg hoch rennen. Sie weckte die anderen und lief zur Straße hin und der Frau entgegen. Die Frau stoppte vor Fela und textete sie vollkommen verwirrt und aufgelöst von der Sichtung eines Monsters an ihrem Haus zu. Zu erst wären dort Stimmen gewesen und danach hätten sich ihre Eltern seltsam verhalten. Die Heilerin redete beruhigend auf sie ein und führte sie ins Lager.

Am Feuer kam die Frau wieder zu sich und begann mit dem Erzählen ihrer Geschichte von Neuem. Es begann vor wenigen Stunden, als sie vor ihrem Haus eine ihr unbekanntte Wesenheit bemerkte. Obwohl sie es nicht sehen konnte, konnte sie die schweren Schritte, als auch das tiefe Knurren deutlich hören. Dann flüsterten um sie herum Stimmen und sie schloss sich zuhause mit ihren Eltern ein. Wie aus dem heiteren Himmel zuckten ihre Eltern plötzlich und sanken im Kaminzimmer zusammen. Es war ihr unmöglich sie aufzuwecken. Das Wesen drohte die Haustüre aufzubrechen und so verkroch sie sich ganz still in einer der hintersten Ecken. Als das Wesen von der Türe Abstand nahm, nutzte sie diese Chance aus und verließ das Haus um Hilfe zu holen. Die Abenteurer erklärten sich umgehend bereit ihr zu helfen. Einzig und allein Tarion hegte Zweifel wegen ihrer Geschichte. Wenn wirklich etwas in diesen Wäldern lauerte, dann hätten sie dies doch bestimmt bemerkt. Er konnte diese fremde Frau einfach nicht durchschauen, beinahe so, als ob sie noch eine Kleinigkeit verheimlichte. Es wurde noch eine Spur merkwürdiger, als er sie mit seiner „Gabe des Wahren Sehens“ betrachtete und die Frau während der Wirkungsdauer gar nicht mehr sah. Er machte Harkon darauf aufmerksam, der einen Erkennungszauber auf sie wirkte. Als er sich gewiss wurde, dass sie keine Aura hatte, war für ihn jedoch alles in Ordnung. Fela entgingen die Blicke ihrer zwei Kameraden nicht, weshalb auch sie dann Zweifel hegte. Sie zückte den „Stab der drei Jahreszeiten“ und wirkte alle Bannsphären zugleich. Die Magie zeigte bei ihr keine Wirkung, doch die Frau erschrak wegen der Magie. Sie drehte sich in aller Eile um und rannte weinend die Straße hinunter. Ihre Worte, dass sie ihr keinen Glauben schenkten, trafen die Abenteurer wie ein Dolchstoß ins Herz.

Harkon, Tarion und Fela Garcia blickten sich am Feuer einander an. Irgendetwas mussten sie unternehmen, denn sie konnten diese Frau nicht einfach so alleine durch den Wald rennen lassen, wenn ihr wirklich Gefahr drohte. Um alle Zweifel an ihrer Geschichte aus dem Weg zu räumen rief Harkon seine Fledermaus herbei und gab ihr den Auftrag der jungen Frau zu folgen. Durch ihre Augen konnte der Hexer erkennen, wie die Fremde etwa einen Kilometer dem Waldweg folgte und dann tatsächlich in die Türe einer kleinen Holzhütte stürmte und diese prompt hinter sich in die Angeln warf. Scheinbar war an ihrer Geschichte doch etwas dran. Trotz Tarions Einwand es könnte sich bei ihr um eine Illusion oder einem Erscheinungsfragment aus der Vergangenheit oder gar um irgendeine Art von Inkarnation handeln, folgten die drei ihr, während der langsam erwachende Alestor im Lager bei der noch immer schlafenden Miya blieb.

Vor dem Haus prüfte Harkon dieses mittels „Erkennen der Aura“. Das gesamte Haus war von dweomer umgeben, einer druidischen oder natürlichen Kraft. Ihm kamen daraufhin Tarions Theorien von gerade eben in den Sinn und mutmaßte, dass die Frau auch ein Yurei, ein Geist, der ihnen in einer manifestierten Form erschienen war, sein konnte. Dies könnte auch erklären, warum Tarion sie mit seiner Gabe nicht mehr wahrnehmen konnte. Yureis waren weder klassifizierbar noch spezifizierbar, denn sie kamen in zu vielen verschiedenen Formen vor. Sie konnten an einen Ort gebunden oder in einer Zeitschleife gefangen sein, in dem sie ihren eigenen Tod immer wieder aufs Neue erleben musste und noch so vieles mehr. Menschen die aufgrund eines gewaltsamen Traumas zu Tode kamen, konnten sich in solche Wesen verwandeln oder wenn sie noch unerfüllte Wünsche und Pflichten hatten.

Jetzt erst kamen Fela Garcia die Bedenken, ob es überhaupt eine gute Idee war, Alestor alleine bei der ungeschützten Miya zu lassen. Doch jetzt war es zu spät den Rückweg anzutreten und sie hoffte auf die Vernunft des Kriegers keine Rache an dem Mädchen zu üben.

Während Tarion ohne Vorwarnung die Eingangstüre auftrat, ohne vorher zu überprüfen, ob diese überhaupt verschlossen war und den Eingang betrat, umrundeten Harkon und Fela Garcia das kleine Haus in entgegen gesetzten Richtungen. Als Harkon um die erste Ecke trat hörte er trotz des plätschernden Regens ein Knacken und Aufstampfen aus dem umgebenden Unterholz des Waldes. Als er sich in die Richtung des Geräuschs umdrehte, bemerkte er etwas Unsichtbares, welches sich ihm geradewegs näherte. Obwohl er das Wesen nicht sehen konnte, sah er wie sich im nassen Boden tiefe tierische Fußabdrücke auftaten. Ein Schritt nach dem anderen. Nachdem ein tiefes Knurren ertönte, bei dem sich ihm seine Haare aufrichteten, rannte er los und dabei fast Fela Garcia über den Haufen.

Hinter der Haustüre war ein kleiner Flur. Rechts und links war jeweils eine geschlossene Holztüre, doch Tarions Interesse galt der Türe gegenüber. Sie war nur angelehnt, sodass der rötliche Schein eines Feuers dahinter auszumachen war. Er schritt zu der Türe herüber, packte sie und zog sie aus den Scharnieren und stellte sie danach im Flur ab. Ihm kam das ganze wie eine Gruselgeschichte vor und hatte daher die Befürchtung, sobals er den Raum betrat, von einer ihm unbekannten Macht eingeschlossen zu werden. Und darauf konnte er getrost verzichten. Der Raum vor ihm war das Kaminzimmer von dem die Frau gesprochen hatte, auch wenn sie nicht anwesend war. Vor dem Kamin, in dem ein kleines Feuer brannte, lagen die Körper eines älteren Ehepaares. Wohl die Eltern der Frau. Vorsichtig beugte er sich über sie und fühlte ihren Puls. Sie waren noch am Leben, obwohl ihre Atmung außerordentlich flach und unregelmäßig war. Wo war die Heilerin, wenn man sie mal brauchte?

Draußen in der Dunkelheit standen Fela Garcia und Harkon halbwegs erstarrt nebeneinander und blickten auf die Fußabdrücke, die sich ihnen langsam und scheinbar unaufhaltsam näherten. Fela ergriff ihren Stab und aktivierte die Bannsphären. Als die bunten Lichter der Zauber um sie herum aufleuchteten wurde Harkon aufgrund seiner finsteren Aura seines Vucubblutes schlagartig aus der Sphäre heraus gedrängt, was ihn angsterfüllt in der Befürchtung dem Wesen entgegentreten zu müssen, zurück ließ. Das unsichtbare Wesen hielt dennoch inne. Jetzt wollte die Heilerin wirklich wissen, was die wahre Erscheinungsform des Wesens war und trat in eine Pfütze, um Schlamm auf es zu schleudern. Die Matschtropfen erfüllten ihren Zweck aber nicht. Sie trafen keine feste Form und fielen einfach auf die Erde.

Im Haus ging Tarion in den Flur zurück und öffnete die linke Türe. Dahinter tat sich eine durch einige Kerzen schwach beleuchtete Teeküche auf. An dem Ofen stand die Frau, die vorhin noch um Hilfe bat und setzte mit ruhigen Bewegungen eine Kanne Tee auf. Tarion wirkte perplex. Entsetzt fragte er sie, wie sie einfach so dastehen und Tee kochen könnte, während ihre eigenen Eltern vor dem Kamin im Sterben lagen? Sie verzog das Gesicht zu einer traurigen Grimasse. Wie konnte er nur solch schlimme Dinge von sich geben? Weinend brach sie vor ihm zusammen und griff sich verzweifelnd an die Brust.

Tarion war zu duurcheinander, um einen klaren Gedanken oder die richtigen Worte zu finden und verließ die Küche. Im Flur atmete er kurz und tief durch und öffnete danach die Türe auf der rechten Seite. Es war eine unscheinbare und überfüllte Abstellkammer mit Werkzeugen, Putzeimern und Dingen des täglichen Gebrauchs. Das einzige, was seine Aufmerksamkeit erregte, war eine blutverschmierte Axt. Doch woher kam das Blut? An den Eltern jedenfalls hatte er keine offensichtlichen Verletzungen gesehen.

Er brauchte dringend mehr Informationen, um dieses Mysterium zu lösen und betrat erneut die Küche, um die Frau zur Rede zu stellen. Diese kochte unbeeindruckt von allem Tee und wirkte nicht mehr niedergeschmettert und traurig, sondern freudig erregt, als sie ihn bemerkte. Er schüttelte sich kurz und fragte sie direkt, was hier los wäre. Verwundert schaute sie ihm tief in die Augen. Hatte er etwa ihre Hochzeit vergessen? Bald schon wäre der Tag gekommen, an dem sie sich vor einem Priester das Jawort geben würden. Jetzt war Tarion gänzlich irritiert.

Hinter dem Haus drängte Fela derweil das Wesen mit ihren Bannsphären zurück. Da das Wesen bemerkte nichts gegen diese Zauber ausrichten zu können, wandte es sich von den beiden Abenteurern ab und hechtete in die Tiefen des Waldes. Schleunigst wirkte die Heilerin „Wandeln wie der Wind“, um mit dem Wesen über den unebenen Grund mithalten zu können und rannte diesem hinterher. Sekunden später konnte Harkon seine Gefährtin schon nicht mehr sehen, als ihre Silhouette in der Ferne mit der Schwärze der Nacht verschmolz. Da er nun alleine war, kniete er sich nieder und schaute er sich die tiefen Abdrücke, die das Wesen in der nassen Erde hinterlassen hatte, mal genauer an. Obwohl die Spuren auf den ersten Blick einige Ähnlichkeiten mit jenen eines großen Hundes aufwiesen, konnte er sie nicht genau deuten.

In der Küche schaute Tarion die Frau noch immer merkwürdig an. Wie von einem Moment auf die andere änderte sich ihre Gemütslage und schien wieder von Traurigkeit erfüllt zu sein. Sie dankte ihm aus heiterem Himmel doch noch zu ihr gekommen zu sein, um ihr und ihren Eltern mit dem Monster, das da draußen lauerte, zu helfen. Sie hatte solch erbärmliche Angst um das Wohlbefinden ihrer Eltern, nachdem diese vor einer Stunde im Kaminzimmer leblos auf dem Boden zusammensackten, dass ihr Tränen in die Augen stießen und sie abermals anfing zu schluchzen. Sie hatte sogar schon versucht ihre Lebensgeist mit einem besonderen Tee wieder zu erwecken, der den Fluch, der auf ihnen beiden lag, angeblich brechen können sollte. Doch bisher war dies nicht von Erfolg gekrönt. Tarion hakte nach. Den Tee hätte sie vor Sonnenuntergang von einem reisenden Wandersmann abgekauf, der zufällig die Straße vor ihrem Haus passierte. Doch an einen solchen Wanderer konnte sich Tarion keineswegs erinnern. Zwischen dem Haus der Frau und ihrem Lager gab es keine Kreuzung, sodass der Mann eigentlich hätte auch an ihnen vorbeikommen müssen. Dann fragte er sie bezüglich der bevorstehenden Vermählung, woraufhin sie ihm entgegnete, dass der Mann, mit dem sie sich einst verlobt hatte, von weiter weg kam. Als sie sich schon einige Zeit kannten, zog er trotz des Widerspruchs ihrer Eltern bei ihr ein. Da er Waldarbeiter war, verließ er täglich in der Früh das Haus und kam erst Abends spät von seiner schweren Arbeit aus dem Wald zurück. Doch eines schweren Tages kam er nicht mehr. Obwohl sie sich mit ihren Eltern verzweifelt auf die Suche nach ihm begaben, konnten sie ihn erst eine Woche darauf in einem Graben liegend entdecken. Er war tot.

Nachdenklich ging er in den Flur zurück, wo er auf Harkon traf, der sich zwischenzeitlich auch dazu entschieden hatte, das Haus zu betreten. Noch während er seine Erkenntnisse mit dem Hexer teilte, fuhr er mit einer Hand über die flache Seite eines Türrahmens und verletzte sich dabei an einem großen Splitter, der zuvor nicht dagewesen war. Alles hier schien surreal zu sein und vielleicht war die Frau wirklich in einer Zeitschleife gefangen. Durch ihre Beratschlagung kam ihnen eine Theorie in den Sinn, die alles erklären konnte:

Die Eltern waren gegen eine Vermählung mit dem Mann gewesen. Da sie seinen Tagesablauf kannten, folgten sie ihm eines Tages in den Wald und erschlugen ihn mit der Axt, um die Hochzeit zu verhindern. Durch den gewaltsamen Tod erwachte aus dem Körper des Mannes sein Geist in einer monströsen Gestalt und terrorisierte die Eltern so lange, bis er ihnen mit einem Fluch das Leben aushauchte. Der Verlust ihrer Eltern und die Trauer um ihren toten Freund könnten die Frau dazu verleitet haben Selbstmord zu begehen, woraufhin sie selbst als Yurei erwachte und seitdem immer wieder die letzten grausamen Tage ihres Lebens durchmachen musste. Doch eine Sache wollte gar nicht in ihre Theorie passen. Wer war der einsame Wanderer, der ihr den angeblich heilenden Tee verkaufte? Ein zufälliger Scharlatan vielleicht, der ihre Not damals ausnutzte, um Profit zu machen?

Als sie ihre Idee um den vom Zorn zerfressenden Geist des Mannes weitersponnen, der den Wald unsicher machte und einen Hass auf alles Lebende zeigte, wurde Harkon gewiss, in welch bedrohlicher Lage sich derzeit wohl Fela Garcia befand. Sie war ganz allein da draußen mit diesem Ungeheuer! Tarion meldete sich bereit die Spur der Heilerin zu folgen, um sie wohlbehalten zurück zu bringen. Harkon war nun ganz alleine in diesem Gruselhaus, in dem es von Geistern wimmelte, was ihm gar nicht geheuer war. Warum musste man sich ausgerechnet jetzt in solch einer Situation aufteilen?

Dann hörte er zwischen dem Geräusch des auf das hölzerne Dach prasselnden Regens ein kurzes aber lautes Poltern aus dem Kaminzimmer, welches in aufschrecken ließ. Mit Unbehagen schlich er in das Zimmer,in dem noch das Feuer knisternd vor sich hin brannte und entdeckte die beiden Körper auf dem Boden liegend. Er legte ihnen seine Hände auf die Schläfen und konzentrierte sich auf sie. Als ein Vucub, der sich von Träumen nährte, hätte er ihre eigentlich sofort spüren müssen. Doch sie träumten nichts. In ihren Köpfen tat sich nicht einmal der kleinste Gedanke auf. Wenn sie wirklich von einem Monster terrorisiert worden oder einem mächtigen Fluch ausgesetzt wären, dann müssten ihre Gedanken zumindest angsterfüllt oder sogar panisch sein. Gerade als er sich von den Körpern abwenden wollte, schnellte urplötzlich und ohne vorherige Anzeichen der Mann hoch und versuchte ihn mit weit aufgerissenem Maul zu beißen. Nur mit Glück konnte sich Harkon diesem Angriff behaupten und versuchte schnellstmöglich zu fliehen. Doch seine Flucht wurde durch die ältere Frau behindert, die ihn mit ihren Händen am Arm wie eine Schraubzwinge packte, ihn nicht mehr losließ und ihn dann biss. Jetzt erkannte Harkon was sie waren! Zombies! Allerdings war er jetzt zu erschöpft um sich gegen sie zu behaupten oder einen Zauber aussprechen zu können. Mit letzter Kraft schrie er lauthals um Hilfe.

Alestor hatte sich in der Zwischenzeit am Lagerfeuer große Sorgen um seine Gefährten gemacht, weil sie schon zu lange fort waren. Hätte ihr kurzer Ausflug länger gedauert als erwartet, dann hätten sie ihm bestimmt schon eine Nachricht zukommen gelassen. Daher packte er seine Sachen und ließ Miya am Wagen zurück, um nach ihnen zu schauen. Schon in einiger Entfernung zum Haus hörte er Harkons Hilfeschreie, zückte umgehend sein Schwert und seinen Schild und preschte durch die offene Eingangstüre. Da sah er, wie Harkon von zwei blutrünstigen Personen angegriffen wurde, die sich mit ihren Zähnen in ihn verbissen. Mit einem gekonnten Schwertstreich streckte er den weiblichen Zambie nieder, ergriff den Mann und schleuderte ihn gegen die Wand, um ihn mit seinem Schild dazwischen einzukeilen. Leicht verletzt und völlig erschöpft bedankte sich Harkon bei seinem Retter. Er schleppte sich zurück in den Flur und ließ sich auf den Boden sinken. Jetzt brauchte er erst einmal eine Verschnaufpause. In seiner derzeitigen sterblichen Hülle war er es nicht mehr gewohnt, solchen Gefahren offen gegenüber zu treten.

Harkon registrierte, wie sich eine Türe öffnete und die junge Frau, die sie um Hilfe gebeten hatte, aus der Küche auftauchte. Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln und ging an ihm vorbei ins Kaminzimmer. Dann traf sie der Schlag und ihre Augen weiteten sich entsetzt. Das ganze Mobiliar des Kaminzimmer war bis zur Unkenntlichkeit zerstört und in der Raummitte stand Alestor, zu seinen Füßen verstreut lagen die völlig zerfetzten Überreste ihrer Eltern. Jetzt realisierte auch der Krieger die abstruse und veränderte Situation, in der er sich befand. Er konnte sich nicht daran erinnern dieses Gemetzel angerichtet zu haben. Er war es definitiv nicht! Während er sich noch eine Entschuldigung oder beschwichtigende Worte zurecht stotterte, zog die junge Frau wutentbrannt und nach Rache sinnend ein Messer und ging auf Alestor los. Kurz hatte dieser ein Flashback, als wiedereinmal eine junge Frau ihn abstechen wollte In Windeseile drehte er sich zu ihr herum und schlug sie mit dem Schwertknauf dermaßen fest gegen den Kopf, dass sie rücklings auf dem niedrigen Tisch landete, dieser mit einem Krachen unter ihr zerbrach und sie dann das Bewusstsein verlieren ließ. Wegen des Lärms aufgeschreckt eilte Harkon ins Kaminzimmer zurück und fand die junge Frau tot vor. Alestor wusste wieder einmal nicht, was hier vor sich ging. Sein Schlag war zwar hart gewesen, doch nicht so kraftvoll, dass jemand dadurch den Tod gefunden hätte. Harkon mobilisierte seine letzte Ausdauer, um mittels des Zaubers „Macht über Untote“ die Leichen zu inspizieren. Der Zauber entfaltete seine Wirkung aber nicht, was hieß, dass die drei Bewohner nun endgültig tot waren und von ihnen keine Gefahr mehr ausging.

Dann klopfte es an der Eingangstüre des Hauses. Taron und Alestor blickten sich kurz verwundert an, wie dies überhaupt möglich war, da die Türe zuvor von Tarion zerstört worden war. Der Hexer nahm seinen Mut zusammen und näherte sich der Eingangstüre. Auf seine Frage, wer sich auf der anderen Seite befand, antwortete eine männliche Stimme, er wäre ein wandernder Mönch. Da öffnete sich auch schon die Türe und offenbarte einen in die Jahre gekommenen Mönch in der landestypischen blaugrauen Tracht. Harkon wich einige Schritte zurück, als sich der Mönch vor ihm aufbaute und ihm mit ernster Stimme erklärte, für seine begangenen Taten heute Nacht Buße tun zu müssen. Dieser Ort hier würde nämlich das Spiegelbild seiner finsteren Seele zeigen. Er ermahnte ihn für seine Sünden gerade stehen zu müssen und dafür den erleuchteten Pfad des großen Butsu und der Erkenntnis einzuschlagen. Erst dann könnten ihm die Kami seine begangenen Taten verzeihen und seine Seele nach seinem Tod Frieden finden. Der Mönch drängte Harkon in die Teeküche zurück und zog eine lange Schere aus einer Falte seines Gewandes hervor. Die erste Hürde eines künftigen Novizes wäre es, sich seines Haupthaares zu entledigen und eine Glatze zu tragen. Harkon war davon gar nicht begeistert, schlüpfte an dem Mönch vorbei in den Flur und lehnte sich mit seinem ganzen Körper gegen die Küchentür, um den verwirrten alten Mann darin einzuschließen. Alestor hatte die ganze Szenerie mitbekommen und lachte zum ersten Mal in dieser Nacht herzhaft. Die Vorstellung seinen Kameraden mit einer Glatze zu sehen war einfach nur urkomisch.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Tarion mit Fela Garcia zurück zum Haus und wunderten sich darüber, dass Harkon die Küchentüre eisern zuhielt und sich weigerte von dieser abzulassen. Auch seine Erklärung in der Küche befände sich ein Mönch, der ihm seine Haare schneiden wollte, überzeugten sie nicht. Sie stießen Harkon fort und ließen ihren Blick in den kleinen Raum schweifen. Dort war kein Mönch. Dann begann das Haus zu einer Ruine zu zerfallen und zeigte seinen tatsächlichen Zustand. Die Leichen verschwanden ebenso wie die Bissabdrücke an Harkons Atrm, das Holz wurde morsch, das Mobiliar verschwand und das Dach zeigte nur noch sein Gerippe.

Ihre Augen wanderten in der Ferne zu drei hellen Lichtpunkten, die in der Dunkelheit hinter einigen Bäumen hervortraten und hörten ein keckerndes Lachen, welches zu ihnen drang. Als sich die Lichtpunkte abwandten, konnten sie sehen, wer ihnen diesen Streich gespielt hatte. Es waren drei weiße Füchse gewesen. Sie alle hatten nun einen unbändigen Hass gegen Kitsune, die in Sagen und Märchen für ihre teils bösartigen Streiche bekannt waren. Sie nahmen sich vor, sollte Alberic sich wieder einmal vor ihnen in einen Kitsune verwandeln, ihn stellvertretend für diese Nacht büßen zu lassen und ihn zu verprügeln. Nur Glück, dass Alberic von diesem Schwur nichts mitbekam.

Bevor sie zurück in ihr Lager gingen, fackelten sie die Ruine des Hauses bis auf seine Grundmauern nieder. Den Rest der Nacht konzentrierten sich die aufgestellten Nachtwachen noch mehr als üblich, um weitere Streiche früh zu vermeiden. Doch es sollte ruhig bleiben.

 

Akt 46:

Die Herrin des Wassers:

 

teilnehmende Abenteurer:

Fela Garcia (Küstenstaaten, Heilerin und weiße Hexe), Alestor (Albai, Krieger), Miya (NPC), Tarion (Albai, Assassine), Harkon (Valian, schwarzer Hexer und Ermittler)

 

Vier Tage später traten sie endlich aus dem Wald und damit auch aus dem Rand der Marschlande heraus. Wieder festen Boden unter ihren Füßen zu wissen, der nicht bei jedem Schritt unter ihren Stiefeln nachgab, bereitete ihnen trotz ihrer Ausgelaugtheit Freude. Noch dazu war die große Regenfront mittlerweile über sie hinweggezogen und der Himmel hatte sich aufgeklärt. Sie folgten dem TangHo in einiger Entfernung weiter flussaufwärts, um die nächste Brücke zu finden,

Bei schönstem Wetter erkannten sie vor sich ein kleines Dorf, welches von weiten Feldern umgeben war und auf einer niedrigen Anhöhe lag. Die dortigen Bewohner arbeiteten jedoch nicht auf den umliegenden Feldern sondern folgten einem geschäftigem Treiben im Zentrum des Ortes. Als sie sich näherten lief ihnen eine Schar Kinder entgegen. Sie schwenkten bunte Stoffbänder, rannten glücklich um die Abenteurer herum und bewarfen sie mit Blumen. Alestor, der die vergangenen Wochen, seitdem sie am Kloster angelangt waren, aufgrund seiner teils niederschmetternden Erlebnisse betrübt wirkte, stimmte dies sehr freudig. Endlich wurden sie als Auserwählte der großen Pilgerfahrt einmal würdig empfangen.

Interessiert fragten sie die Kinder, welches Fest denn in ihrem Dorf anstünde. Sie entgegneten ihnen, dass am heutigen Tage das Hairan no kyōen gefeiert werden würde. Es war das Fest zu Ehren der Ankunft von Alberic und seiner Gefährten. Jetzt herrschte große Verwirrung und sie schauten sich verwundert an. Was hatte ihr Glücksritter jetzt schon wieder ohne ihre Kenntnisse angestellt?

 

Weiter in Akt 46:

Die Herrin des Wassers:

 

teilnehmende Abenteurer:

Alestor (Albai, Krieger), Miya (NPC, TsaiChen-Tal), Tarion (Albai, Assassine), Harkon (Valian, schwarzer Hexer und Ermittler), Alberic (Albai, Glücksritter)

 

Sie wandten sich an die Kinder und hakten nach. Doch was sie zur Antwort erhielten, bescherte ihnen mehr Fragen, als Antworten. Das Fest war nach Aussage der Kinder neu und wurde noch nie zuvor gefeiert. Viele kleine Kinderhände packten sie und zerrten sie in Richtung des Dorfes und die Abenteurer ließen sie gewähren.

Auf dem kleinen Dorfplatz mit dem Brunnen und im Vordergrund des hiesigen Schreins herrschte Aufbruchstimmung. Die Dörfler reihten Tische zu langen Tafeln in Reihe und stellten Bänke daran, während andere Personen unterschiedliche Vorbereitungen für das bevorstehende Fest unternahmen. Als die Abenteurer mit den Kindern im Schlepptau dort angelangten, waren alle Augen auf sie gerichtet. Schnell wurden sie von einer freudigen Menschenmenge umringt und Alberic mit so vielen Blumenkränzen um den Hals geschmückt, dass er schon beinahe seine Last hatte, aufrecht zu stehen. Harkon widmete Alberic eines Blickes und schnell waren sie sich ohne Worte einig. Diese Situation mussten sie einfach ausnutzen und soweit auskosten, wie es ihnen nur irgend möglich war. Harkon kämpfte sich aus der Menge heraus, konzentrierte etwas Magie und schlug seine Hände zusammen. Ein lauter Donnerhall ließ die Dörfler zurückschrecken und innehalten. Es herrschte kurz Stille, bis der schwarze Hexer das Wort energisch erhob. Mit kraftvoller Stille verkündete er vor den Versammelten die Ankunft des großen Alberics aus dem fernen Alba und danach dessen Begleiter, Alestor, der Verruchte, der kampferprobte Tarion, die Lebensretterin Fela Garcia, ihre Begleiterin Miya und zu guter Letzt sich selbst als der Verkünder Harkon. Die Leute jubelten ihnen zu, bis sich die Reihen lichteten, um Platz für einen stämmigen Mann mittleren Alters zu schaffen.

Es war der Dorfsprecher des Ortes, der die Gruppe Abenteurer recht herzlich in ihrer Mitte begrüßte. Er wies ihnen Plätze am Kopfende der langen Tafel zu und bat sie zu warten. Entgegen seiner Erwartung waren sie nämlich früher eingetroffen, als erwartet, sodass die Vorbereitungen für das Fest, welches bei Sonnenuntergang beginnen sollte, noch nicht abgeschlossen waren. Schleunigst reichten ihnen einige Dörfler Getränke und Speisen, ehe sie sich wieder an die Arbeit machten. Tarion ließ seinen Blick über die einfachen Behausungen des Dorfes schweifen. Diese ganzen Vorbereitungen, die zu ihren Ehren gemacht wurden, mussten in seinen Augen die kleine Bevölkerung in Unkosten stürzen. Der Dorfsprecher bejahte dies, doch für ihre Herrin Kyushu, die all die Jahre schützend ihre Hände über sie gehalten hatte, mussten sie dies tun. Immerhin war dies ihre erste Bitte seit Anbeginn der Dorfchronik gewesen. Irgendetwas an der ganzen Situation machte Tarion misstrauisch und so wirkte er seine „Gabe des wahren Sehens“, doch er konnte damit nichts ungewöhnliches erkennen.

Alberic genoss es sichtlich seine etwas ausgeschmückten Heldentaten zu erzählen, um damit eine Schar junger Frauen und Kinder in seinen Bann zu ziehen, die gespannt jedem seiner Wörter lauschten. Er übertrieb maßlos und stellte seine Kameraden als einfache Helfer hin, doch seine Zuhörer glaubten ihm. Etwas abseits von Alberic saßen seine Gefährten am Tisch und verspürten etwas aufkommende Wut darüber, dass ihr Begleiter auch ihre Taten für sich beanspruchte und sich zusehends in den Mittelpunkt stellte.

Als Miya sich von der Tafel verabschiedete, um den Ort etwas zu erkunden, machte sich Harkon so seine Gedanken darüber, wer oder was Kyushu war. Dank seiner Geschichtskenntnisse wusste er, dass Kyushu die Herrin des Wassers war. Sie war entweder ein höherer Naturgeist oder gar ein Kami, dessen einziger Schrein, der sich in diesem Dorf befand, der Sage nach alle zwanzig Jahre abgebrannt und genauso wiederaufgebaut wurde, um ihn zu reinigen.

BILD: DORF

Tarion konnte Alberics Gerede ebenfalls nicht mehr ertragen und schritt zum nahen Schrein herüber. Nachdem er seine Schuhe im Eingangsbereich auszog und in die kleine Halle trat, sah er sich um (1). Doch das einzige, was ihm in diesem nahezu möbellosen Raum auffiel, waren zahlreiche Malereien, die sich in den Zwischenräumen des Deckengebälks befanden. Sie alle zeigten dieselbe alterslose Frau mit langem schwarzen Haar, die in einem offen gebundenen blauen Kimono gekleidet war. Auf einigen schwamm die Frau durch das Wasser, hielt sich an den Ufern auf, beschenkte die Bauern oder tanzte im Regen auf den Feldern. Ein einziges Bild jedoch zeigte einen Long, einen Flussdrachen, der einer großen Schlange mit zwei Hörnern glich. Dieses letzte Bild kam ihm äußerst bekannt vor, denn ihr waren sie schon einmal begegnet und zwar im Heiligtum unter Jigokuniochiru. Und jetzt wurde ihm auch klar, warum das Fest womöglich zu Ehren Alberics stattfand, denn er hatte dereinst seinen Charm ihr gegenüber spielen lassen. Mit schnellen Schrittes kehrte er zu seinen Kameraden auf dem Dorfplatz zurück und teilte ihnen die wahre Identität der Herrin des Wassers, der Schirmherrin dieses Ortes, mit. Harkon fiel alles aus dem Gesicht, als er seine Worte vernahm, denn Kyushu hatte ihn bei ihrer letzten Begegnung versucht umzubringen. Nur durch das Eingreifen von Alberic und das Eingehen eines Geass von zwei seiner Begleiter sah Kyushu von ihm ab.

Alestor fand dies alles lustig. Nachdem er sich wieder einkriegte bat er den Dorfsprecher um ein Gespräch unter vier Augen, dem er zustimmte. Etwas abseits fragte Alestor ihn, was der Name des Festes überhaupt bedeutete. Der Dorfsprecher entgegnete, dass „hairan no kyōen“ nichts anderes als „Fest des Eisprungs“ bedeutete. Und genau darum ging es bei diesem Fest, um das sie Kyushu neulich als eindringende Stimme im Haiden, dem Heiligtum hinter dem Schrein, gebeten hatte. Der Liebhaber von Kyushu sollte ihrer Herrin ein Kind schenken. Ein Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Kriegers aus, der stillschweigend zur Tafel zurück kehrte und eisern dieses Geheimnis für sich behielt. Aber jetzt war er sich sicher, dass ihnen hier keinerlei Gefahr drohte.

Die Dörfler häuften eine große Feuerstelle auf, bereiteten Speisen vor und deckten die Tische, während einige Männer aus den nahen Wäldern mit erlegten Wild zurück kamen und sich daran machten, dieses für den Abend zu zerlegen. Die meisten Abenteurer saßen noch an ihren Plätzen und sahen leicht bekleideten Frauen zu, die in Front des Schreins einen schnellen Tanz probten. Tarion ließ es sich auch diesmal nicht nehmen, einigen Interessierten seine alkoholische Spezialität „U-Boot“ zu präsentieren.

Harkon wiederum weckte die Neugierde und stromerte durch den Ort, um diesen zu erkunden. Dabei begutachtete er den Schrein und umrundete den dazugehörigen Honden, den kein lebendiger Mensch begehen durfte, da ein solches Haus nur den Kami vorbehalten war, sah sich danach einige Gehöfte, die Schmiede und auch die Herberge an, ehe er an einem merkwürdigen Bauwerk im Bach Halt machte. Es war ein Yana-Wehr, eine wasserdurchlässige Staumauer, deren Bambusgitter aber zu engmaschig für die Fische des Baches waren. Somit hatten die jungen Damen, die mit ihren hochgebundenen Kimono durch das seichte Wasser wateten leichtes Spiel mit ihren hölzernen und vorne angespitzten Spießen die eingesperrten Fische zu erjagen, was Harkonals ziemlich unfair empfand.

Als die Sonne im Begriff war unterzugehen, nahmen die allermeisten Dorfbewohner an den Tischen platz. Die zahlreichen geführten Gespräche verstummten sofort, als der Dorfsprecher in Begleitung des hiesigen Priesters und einer Miko erschien. Er schlenderte geradewegs auf Alberic zu und bat ihn seine Waffen und Ausrüstung abzulegen, damit er sich auf dem Weg zu ihrer Herrin begeben könnte. Alberic kam der Aufforderung weitestgehend nach, doch weigerte sich vehement sein Schwert der Musen aus der Hand zu geben. Selbst als der Dorfsprecher ihm versicherte dieses in Sichtweite seiner Gefährten aufzubewahren, blieb er stur. Harkon nahm die Gelegenheit wahr Alberic für seine zuvor teils erlogenen Heldentaten aufzuziehen und ihn eines auszuwischen. So rief er ihm in der Stille zu, sodass es jeder hören konnte, dass er doch im Alleingang einen ganzen dunklen Kult, einen schwarzen Adepten und einen Balrok besiegt hätte. Warum hätte er denn nun Angst urplötzlich seine Waffen aus der Hand zu legen, wo er doch problemlos jeden Gegner unbewaffnet besiegen könnte? Alberic spürte Wut aufkommen, wandte sich blitzschnell herum und schlug Harkon mit der Faust mitten ins Gesicht (20). Sein Kamerad fiel daraufhin rücklings zu Boden und blieb bewusstlos mit einer neuen Lücke zwischen seinen Schneidezähnen liegen. Stille herrschte ob Alberics Tat, als der Dorfsprecher ihm zuflüsterte, sich nun entscheiden zu müssen. Entweder er legte augenblicklich sein Schwert ab, um ihrer Herrin unter die Augen treten zu dürfen, oder er würde ansonsten der Herrin Schande bereiten. In diesem Fall müsste er sie sofort auffordern das Dorf zu verlassen und niemals wiederzukehren.

Alberic tat sich schwer diese Entscheidung zu treffen und so ging er kurz in sich, um gedanklich Kontakt zu Kalliope, der im Schwert eingesperrten Muse, aufzunehmen. Schweren Herzens erklärte er ihr, dass er sie für wenige Stunden aus der Hand geben müsste. Sie nickte, wirkte dabei aber sehr betrübt. Immerhin hatte er ihr noch vor wenigen Wochen versprochen mehr mit ihr zu reden, doch bisweilen kam er diesem Versprechen kaum nach. Noch dazu hatte sie seit kurzem eine andere Frauenstimme in seinen Gedanken vernommen, was ihr etwas Unbehagen bereitete. Er ignorierte ihre letzten Worte aber erneuerte sein Versprechen ihr gegenüber. Alberic blickte auf die Spiegelung des großen Feuers auf dem Platz in der Klinge und sah darin Kalliope. Ihre langen, weiten Haare fielen ihr über den Rücken und über ihre strahlend weiße Robe bis auf den Boden und sie erhob ihre Rechte und hielt ihm ihren kleinen Finger entgegen. Er tat es ihr gleich und besiegelte dieses Versprechen mit einem Fingerschwur. Er löste sich von dieser Gedankenwelt und fand sich in der Realität wieder. Dann trat er auf Alestor zu und überreichte ihm zum sichtlichen Vergnügen des Dorfsprechers sein Schwert.

Daraufhin bat ihn die Miko ihr zu folgen. Am Rande des Schreins am großen Torii-Tor angelangt, blieb sie stehen und überreichte ihm eine einfache Laterne an einem langen Stab. Vor hier aus müsste er dem schmalen Waldweg alleine folgen, bis er nach zwei Kilometern an einer Höhle im Fels angelangte. Er tat, was sie ihm sagte und folgte dem Pfad.

Trotz der allgegenwärtigen Dunkelheit und nur mit dem schwachen Licht der Laterne hechtete der Glücksritter durch den dunklen Wald, bis sich vor ihm eine felsige Wand auftat, in der der Eingang einer aus dem Fels geschlagenen Höhle klaffte. Vor dieser waren mehrere geflochtene Reisstrohseile gespannt, an denen weißes Zickzackpapier hing, welche diesen Ort als eine heilige Stätte markierten.

Ohne viel Zeit zu verlieren begab er sich in das Innere. Auf dem Boden der Höhle hatten sich Pfützen angesammelt, die durch Tropfen, die von Stalaktiten nach unten tropften, gespeist wurden. Als er ungefähr die Mitte der Höhle erreichte, entzündeten sich an den Wänden angebrachte Fackeln und erhellten den Gang. Wenige Meter später führten einige wenige Stufen hinauf zu einem mit Bodenmosaiken geschmückten und trockenen Bereich, der vor ihm mit Paravents versperrt war. Dahinter brannte Licht, sodass Alberic eine Silhouette hinter den Stellwänden ausmachen konnte. Er näherte sich weiter und öffnete eine der Flügeltüren, um einzutreten. Dahinter war ein ganzer erhellter Wohnbereich eingerichtet, der von vielen bunten Bannern und Ständern, an denen schmuckvolle Kimonos hingen, verziert wurde. In der Mitte des Raumes und umringt von vielem Schmuck stand ein großes Himmelbett mit zugezogenen Stoffbahnen, hinter der die Silhouette einer Frau zu sehen war. Der Zeigefinger einer Hand, die zwischen den zugezogenen Stoffbahnen herausschaute, deutete ihm näher zu kommen. Alberic ließ sich dies nicht nehmen und trat auf das Himmelbett zu. Dann traute er seinen Augen nicht, als er Kyushu auf dem Bett sitzend erblickte, denn sie war der Long aus dem ersten Schrein, wo sie den Stab gefunden hatten.

Sie bedankte sich bei ihm für seine damals ihr gegenüber offenbarten Gefühle, denn niemals zuvor hatte es ein Sterblicher gewagt, so mit ihr zu sprechen. Und da sich seine Gruppe nun in der Nähe ihres Heiligtums befand, konnte sie es sich nicht nehmen lassen, diese Gelegenheit verfliegen zu lassen. Kyushu öffnete den Gürtel ihres blauen Kimono und entblößte sich, während ihr Drachenschwanz, das einzige nichtmenschliche an ihrer derzeitigen Erscheinung, aufgeregt hinter ihr hin und her peitschte, wie bei einer aufgeregten Katze. Jetzt war sich auch Alberic sicher, dass ihm keine Gefahr drohte und ließ auch seine Kleidung fallen, ehe er zu ihr ins Bett stieg.

Im Dorf konnte Alestor das Geheimnis hinter dem Namen des Festes nicht mehr für sich behalten und teilte diese Information mit seinen Gefährten. Tarion brach in lautes Gelächter aus und meinte, dass dies Alberic zu Recht geschehe, nachdem er mit seinen Taten angegeben hatte. Er musste halt einfach mal seine Lektion dafür bekommen, wenn er jedes Mal, wenn er einem Naturgeist begegnete, mit diesen flirten musste.

Entgegen der Meinung seiner Gefährten genoss Alberic jedoch die traute Zweisamkeit mit Kyushu. Beide lagen noch verschwitzt und etwas erschöpft im Bett, als ihm Kyushu eine angezündete Pfeife mit Opium reichte. Er zog kräftig daran und spürte unmittelbar die Wirkung, die seinen Geist vernebelte. Dann richtete Kyushu ihren Blick auf den Abenteurer. Sie wollte zwar noch etwas Zeit mit ihm genießen, doch war sich auch dessen wichtiger Aufgabe bewusst, weshalb sie ihn bat, gehen zu müssen. Er verstand dies, bedankte sich und zog sich an.

Als Alberic am Waldrand des Dorfes auftauchte und zu dem Platz zurück taumelte, brach lauter Jubel aus. Jetzt konnte das Fest erst richtig beginnen. Die Tafeln wurden reich gedeckt und die Mädchen des Dorfes tanzten um das Feuer. Als Tarion aufgefordert wurde mit ihnen zu tanzen, kam er dieser Aufforderung nur all zu gerne nach.

Harkon und Alestor stießen mit Bechern voller Sake und Pflaumenwein an und bedienten sich an den Speisen, bis zwei Zwillinge zu ihnen kamen und sie baten, ihnen einen besonderen Platz zeigen zu dürfen. Sie folgten den Mädchen etwas aus dem Dorf heraus zu einem kleinen Hügel, von dem man aus einen guten Blick auf die weite nur durch den Vollmond erleuchtete Gegend hatte. Die Mädchen hatten diesen Platz mit einer Picknickdecke und Körben mit kleinen Häppchen vorbereitet und schmiegten sich an die ausländischen Abenteurer an. Sie genossen die Zeit mit ihnen auf der weiten Wiese liegend und blickten hinauf in den sternklaren Himmel, über den ein Schauer Sternschnuppen zog. Mit ihnen würden sie diese magische Nacht verbringen.

Alberic sank am Rande der Tafel zusammen, denn er war äußerst erschöpft. Er genoss zwar den Trubel um sich herum zu seinen Ehren, doch nahm selbst nicht daran teil. Erst als er eine Platte mit frittiertem Tofu erblickte, wurde er hellwach und vergriff sich daran. Er war sich bewusst, welche Präsenz in ihm dazu trieb, diesen ganzen Tofu zu verspeisen.

Tarion hatte seinen Tanz beendet und ließ auch sich an der Tafel zwischen einigen Dorfbewohnern nieder, denn er hatte Durst. Als er eine ihm bekannte Stimme rechts neben sich vernahm, wandte er sich um und erblickte einen dunkel gewandeten Krieger, an dessen Gürtel ein Tanto, ein Kurzschwert, hing und einem Langbogen geschultert hatte. Es war der Ronin Yosuke mit dem verwuschelten Haar, den er beim Trinken in SuiFeng kennengelernt hatte. Tarion schien überrascht ihn hier zu sehen, bis Yosuke ihn erzählte, dass er sich Sorgen um seinen Saufkumpan machte, wegen ihres Zieles. Tarion war sich sicher, dass der Ronin nur ein Abenteuer suchte, bei dem er sich beweisen konnte und fragte somit auch nicht weiter nach. Sie erhoben die Krüge und tranken.

Der Morgen brach herein, als die ersten von ihnen in der Herberge erwachten. Alberic und Harkon fühlten sich zerstört und krochen verkatert aus ihren Decken heraus – Harkon hatte es dann plötzlich sehr eilig zum Fenster zu gelangen, da sein Mageninhalt der Ansicht war ins Freie gelangen zu müssen. Dabei entdeckte er auch die zahlreichen Kratzspuren, die seine nächtliche Liebschaft mit ihren Fingernägeln auf seiner Haut hinterlassen hatte. Als Miya aufsprang und die Bambusrollos vor den Fenstern hochzog, gönnte sich Tarion noch immer am Boden liegend einen Schluck Konterrum. Einige Meter weiter tat es ihm Yosuke gleich, was zur allgemeinen Verwirrung bei den übrigen Abenteurern führte, wer denn dieser Fremde in ihrer Runde war.

Alberic hatte sich angezogen und trat aus dem Haus heraus, um die ersten Sonnenstrahlen zu genießen. Diesen Moment der Ungestörtheit nutzte er, um, wie versprochen, Kalliope zu sprechen. Der Glücksritter führte zu Beginn etwas Smaltalk mit der Muse. Als er sie dann nach ihrer Geschichte fragte, wiegelte sie höflich ab. Ihre Vergangenheit war schwierig und jetzt wäre nicht der richtige Moment ihm dies alles ausführlich zu schildern.

Die restliche Gruppe trat nun ebenfalls auf die Straße und Yosuke stellte sich vor sie und fragte daraufhin in die Runde, was um alles in der Welt in sie gefahren wäre, warum sie sich freiwillig in den Selbstmordwald begeben wollten. Sie hätten doch keine Ahnung, was sie dort erwarten würde. Menschen, die mit ihrem Leben abgeschlossen hätten, gingen in diesen Wald, um den Freitod zu wählen. Andere, die noch unentschlossen wären, ob sie dem Leben absagen sollten, zelteten sogar darin, um über ihre Entscheidung nachzusinnen. Doch selbst diejenigen, die sich nach langer Zeit des Nachdenkens für das Leben entscheiden würden, wären nicht in Sicherheit. Eine unheilvolle Macht wurde dort befreit, sodass eine Geisterfrau diesen Menschen auflauerte und sie schließlich zum Selbstmord trieb. Das Zeigen der kleinsten Charakterschwäche in diesen Wäldern bedeutete den Tod! Sie blieben ihm vorerst eine Antwort schuldig, doch auch das änderte nichts an der Entscheidung des Ronin mit seinem Saufkumpanen auf ein Abenteuer zu gehen.

Tarion suchte den Dorfsprecher auf, der gerade dabei war die Aufräumarbeiten zu koordinieren. Er überreichte ihm für die durch ihr Auftauchen entstandenen Unkosten des Festes einen Lederbeutel mit einhundert Goldstücken. Der Dorfsprecher bedankte sich für diese großzügige Gabe und fragte nach ihrem weiteren Weg. Als Tarion ihm dies erklärte, wurde der Dorfsprecher ernst. Er ermahnte ihn keinesfalls die erste Brücke zu nehmen. Seit einiger Zeit lauerte dort der Dämon des Südens, Oni no Mikoto, starken Kriegern auf, die er zu einem Kampf herausfordert. Und bisher hat er alle besiegt. Er tritt in Gestalt eines gerüsteten Samurais mit Dämonenmaske auf, doch es war unbekannt, ob er wirklich ein Mensch oder vielmehr ein Dämon war. Händler oder die einfache Bevölkerung könnten unbehelligt diese Brücke überqueren, doch es verging kaum eine Woche, in der nicht andere Samurai oder Wachtrupps dort ihr Leben ließen und ihre Körper von den Fluten des Flusses abgetrieben wurden. Einige Tagesmärsche weiter flussaufwärts gäbe es aber noch eine andere Brücke, die sicherer wäre. Tarion bedankte sich für diese nützliche Information und kehrte zu seinen wartenden Gefährten zurück.

Dort beratschlagten sich die Abenteurer darüber, ob es klug wäre den Ronin bei ihnen mitreisen zu lassen, denn immerhin kannte ihn niemand außer Tarion. Dieser wiederum verbürgte sich für Yosuke, dem es wohl wirklich nur um ein Abenteurer ging, bei dem er sich beweisen konnte.

Mit ihrem Wagen voller Vorräte und einem neuen Begleiter in ihrer Mitte verließen sie das Dorf der Herrin des Wassers gen Osten. Einen Fernkämpfer wie Yosuke hatte ihnen in der Tat noch gefehlt und so fassten einige etwas Vertrauen zu ihm. Unterwegs teilte Tarion mit seinen Gefährten die Information um den Dämon des Südens, der ihnen bei der ersten Brücke auflauern könnte. Da sie sich nicht sicher sein konnten, ob dieser Dämon wirklich existierte oder es nur um ein Gerücht handelte, wollten sie zumindest das Gebiet um die Brücke sichten, um die Lage besser einschätzen zu können.

Bereits am darauf folgenden Tag erreichten sie die besagte Brücke am beginnenden Oberlauf des TangHo. Hier hatte sich der Fluss ein tiefes Bett gefressen, sodass selbst der erhöhte Wasserpegel die darüber gespannte ungefähr einen Meter breite Hängebrücke nicht erreichen konnte. Sie schluckten wegen dieser Situation. Sie hatten definitiv keine Lust auf einer solch schmalen, schaukelnden und gischtfeuchten Brücke gegen einen Gegner anzutreten. Sie beschlossen kein Risiko einzugehen, nicht dass einer von ihnen letzten Endes durch einen potentiellen Kampf von der Brücke in die Fluten fiel. Sie machten kehrt und folgten dem Flussauf in Richtung seiner Quelle.

Zwei Tage darauf erreichten sie das Vorgebirge. Hier konnten sie, wie ihnen zuvor der Dorfsprecher erklärte, den Fluss über eine größere Brücke überqueren.

 

Akt 47:

Ewige Wonne:

 

teilnehmende Abenteurer:

Adeptus Rhegaru Sarazian Elissa (SL-Char, Valian, Magier), MikiFune (NPC)

 

(Anmerkung: Die Akte 47 bis 54 wurden nie gespielt. Sie dienen lediglich dafür aufzuzeigen, was die Folgen diverser Handlungen waren und um den Spielern eine Erklärung auf ihre brennende Frage zu geben, was mit Sarazian und seiner mysteriösen Begleiterin in der Zwischenzeit geschah. Der andere Hintergrund für diese Zwischengeschichten ist der, dass ich all die Sachen, die ich zuvor vorbereitete und entweder zeitlich herausfielen oder die meine Spieler gekonnt übersehen haben, nicht umsonst ausgearbeitet haben wollte. Und somit darf sich Sarazian nun um diese Dinge kümmern, womit ich ihm auch zugleich die Gelegenheit gebe sich charakterlich weiterzuentwickeln.)

 

Sarazian dachte über seine Reise nach. Dieses fremde Land faszinierte ihn zwar irgendwie, doch der Zwischenfall mit seinem Bruder Rodric ließ ihn keine Ruhe. Er verwarf den Gedanken. Sie waren schon mehrere Tage unterwegs gewesen und waren gezwungen in der teils rauen Wildnis zu übernachten. Gestern kamen sie bei dem Haus eines Reisbauern vorbei und kamen mit diesem und seiner Familie ins Gespräch. Seine Kenntnisse der kanthanischen Sprache zu vertiefen, hatte sich wirklich ausgezahlt, denn sie erlaubten ihnen im Nebenhaus, einer Scheune, zu nächtigen. Es war zwar nicht die bequemste Bettstatt trotzdem war es mal wieder schön in einem richtigen Haus zu schlafen. Keine Zugluft, kein Erwachen durch Regen und keine Angst vor irgendwelchem Getier. Nur eine Sache beunruhigte ihn. Der Reisbauer warnte ihn bei seiner Weiterreise vor den in diesen Landen agierenden Räubern, den „Söhnen der Dunklen Wäldern“. Er verwarf auch diesen Gedanken, schlug die Augen auf und blickte zur Seite, wo seine Begleiterin lag. Seine Befürchtungen, sie würde diese schlichte Unterkunft als nicht standesgemäß empfinden, war wohl unbegründet. Sie war schon ein seltsames Mädchen, der man ihr Alter gar nicht ansehen konnte. Mittlerweile war auch schon die Sonne im Begriff aufzugehen. Er stand langsam auf, reckte sich und rüttelte MikiFune sacht. Zeit zum Aufstehen.

Stunden später folgten sie der gepflasterten Nordstraße gen Süden. Das Land hier zeichnete sich durch abrupt wechselndes und kleinräumiges Gelände aus. Dann tat sich vor ihnen direkt hinter einem kleinen Fluss ein größerer Gebäudekomplex auf, die Herberge „Zur Ewigen Wonne“. Die Gebäude waren von einer Mauer aus dicht sitzenden, dicken Bambusrohren umgeben. Der Wall war drei Meter hoch, am oberen Ende zugespitzt und tief in der Erde verankert. Da sie lange schon nichts mehr richtiges und deftiges gegessen hatten, beschlossen sie dort einzukehren.

Der Schankraum war in zwei separate Teile aufgetrennt, in denen bequeme Armstühle und niedrige Tischchen zum Verweilen einluden. Vor der dem Eingangsbereich gegenüberliegenden Wand aus Ölpapier hatte der Wirt ein geräumiges Regal aus dunklem Zedernholz errichtet, auf dem hunderte von Teetäschen, Karaffen und Untersetzer in den verschiedensten Formen und Größen nebeneinander aufgereiht waren.

Sie setzten sich an einen kleinen Tisch im hintersten Bereich des Schankraums und legten ihre Habe neben sich. Sarazian band seinen Lederbeutel von seinem Gürtel ab, öffnete ihn und schüttete den Inhalt auf dem Tisch aus. Er atmete tief durch. Mehr als eine Handvoll Münzen war ihm nicht mehr geblieben. Und dabei hatte seine Reise bis zum Vulkan weit im Süden des Landes, wo sie sich ZuFongs Zepter entledigen wollten, erst begonnen.

Der Hausherr kam gerade zu ihrem Tisch und blickte erst seine beiden neu eingetroffenen Gäste, dann auf die wenigen Münzen vor ihm. Sarazian rechnete fest damit jeden Moment aus dem Lokal heraus komplimentiert zu werden, doch es sollte anders kommen. Der Wirt begrüßte sie recht freundlich mit den üblichen Floskeln, ehe er sich überraschend ehrerbietig vor ihre Füße warf und ihnen mit jammernder Stimme klagte, was sein Herz bedrückte:

„Diese unwürdige Person nennt sich TseMitsu und ist Wirt der Herberge, die der edle Herr und die edle Dame sehen können. Angesichts der sich häufenden Überfälle einer räuberischen Bande, die sich selbst die Söhne der Dunklen Wälder nennt, wagt diese Person Euch zu fragen, ob Sie sich vorstellen könnten, gegen eine, Ihrer hohen Herkunft angemessenen Belohnung, ihr Ihre Dienste anzubieten und ihr Gasthaus zu beschützen.“

Sarazian war sich sicher, dass TseMitsu nur ihn meinte, obwohl er sie beide angesprochen hatte, um die Etikette zu wahren. Wahrscheinlich dachte er, er wäre der adlige Beschützer von Mikifune, die die Kleidung einer hiesigen Prinzessin trug. Er verdrehte einmal die Augen und ließ seinen Blick erst auf das Gesicht seiner Begleiterin und dann auf den schäbigen Rest seines Barvermögens wandern. Gegen ein paar Räuber anzutreten sollte sicherlich eine Kleinigkeit sein, dachte er. Dann wanderten seine Augen wieder auf den Wirt, der wohl sein Augenrollen nicht mitbekommen hatte und regungslos mit gesunkenem Kopf am Boden vor ihnen kauerte und stillschweigend auf eine Antwort wartete.

Sarazian gab schließlich nach und stimmte zur Freude des Wirtes zu. Immerhin war er auf das versprochene Geld angewiesen und MikiFune schien auch keine Einwände zu haben. TseMitsu erhob sich vom Boden und gab seinen Angestellten prompt den Auftrag den Tisch für seine besonderen Gäste reich zu decken und versprach ihnen zudem noch eine ihnen würdige und voll ausgestattete Unterkunft im Obergeschoss des Haupthaus. Freudig schauten sich Sarazian und MikiFune in die Augen. Endlich war ihnen einmal das Glück etwas hold.

Nachdem das Essen gereicht wurde und sie es sich gerade schmecken ließen betrat ein Wu, ein kanthanischer Schamane, das Wirtshaus, wo dieser sofort vom Wirt begrüßt wurde. Es handelte sich bei ihm um den greisen Wu KaschiWagi, einen langjährigen Freund TseMitsus, der anlässlich des TsunMai-Festes umher wanderte, immer auf der Suche nach Kaorohe – unruhigen Geistern – die es zu besänftigen oder auszutreiben galt.

Sein ausgezehrter Körper steckte in einem Gewand aus aneinander genähten Wundbinden, die, so KaschiWagi, ihn vor dem Zugriff übler Krankheitsdämonen schützten. Er stützte sich auf einen schlanken Stab und musterte mit unstetem Blick unablässig die Umgebung. Passend zur Jahreszeit war sein Gesicht mit einer entsprechend grünen Farbe geschminkt, wobei dieser Wu anscheinend auch nicht davor zurückschreckte, wochenlang auf jegliche Körperpflege zu verzichten, wenn ihm dies die Geister gut gesonnen stimmte.

Nachdem der Wu kurzerhand die Gaststube wieder verlassen hatte und die Herberge anschließend dreimal umrundete und sich versicherte, dass keine unmittelbare Gefahr durch blutrünstige Geister drohte, kehrte er in die Wirtsstube zurück. Dann bot er dem Wirt an für die Gäste eine Teezeremonie abzuhalten. TseMitsu war entzückt, denn die Beherbergung eines Wus zur Zeit des TsunMai-Festes schützte angeblich vor üblen Einflüssen jeglicher Art.

Da neben den Knechten, den Wirtsleuten und den zwei Tänzerinnen Sarazian und Mikifune die einzigen Anwesenden waren, bestand der Wu auch auf ihre Teilnahme. Betrübt senkte Sarazian einen Blick auf die vor ihnen ausgebreiteten Köstlichkeiten, die durch eine Teilnahme an der Teezeremonie bestimmt erkalten würden. Allerdings war gleichzeitig auch seine Neugierde geweckt, einmal an einer Teezeremonie teilzunehmen, fragte sich aber auch, was es mit diesem TsunMai-Fest auf sich hatte. Zum Glück konnte ihm seine Begleiterin dabei weiterhelfen.

TsunMai war das Fest der Wiederauferstehung und wurde an vier Tagen der dritten Woche des zweiten Monats in beinahe allen Teilen KanThaiPans gefeiert. Zu dieser Zeit, so überlieferten es die Weisen, lägen das YüanPong, das Reich der Ahnen, und das WengGong, die Welt der Lebenden, nahe beieinander. In diesen wenigen Tagen, die auch als YangXi (Tage des Zweifachen Seins) bezeichnet wurden, war es nicht unmöglich, als Lebender unbeabsichtigt in die Welt der Verstorbenen zu geraten, wiewohl auch angenommen werden musste, dass unter den Lebenden die Geister verirrter Toter wandelnden. Deshalb wurden sowohl von der einfachen Bevölkerung als auch von den Aristokraten des Landes allerorts reich gefüllte Tonschalen und Keramikkrüge mit Reis, rohem Fisch, gesalzenem Gemüse, gekochtem Fleisch, kandierten Früchten und Tee aufgestellt, die den Toten als Nahrung dienen sollten. Täglich feierte man vor allem in den ländlichen Gebieten gutbesuchte YanKuSen – Geisterbesänftigungsrituale – in denen die KanThai ihre Ahnen anflehten, Gnade walten zu lassen und ihnen ihre Fehlnisse nicht allzu übel zu nehmen. Oftmals versuchten auch mächtige Wu in geheimen Feiern, die Toten mit DochiGoras (Worte des Leuchtenden Pfades) zurück in ihre Welt zu führen.

Der Wirt führte alle Anwesenden auf die Veranda des hinteren Hofes, wo der Wu sofort mit den Vorbereitungen für die Teezeremonie begann. Schon nach wenigen Handgriffen war ersichtlich, dass KaschiWagi die Kunst des Teezubereitens meisterlich beherrschte. Jede seiner Bewegungen war mit dem angestrebten Gleichgewicht der Natur abgestimmt. Der Wu erledigte die erforderlichen Vorbereitungen, die anderen Teemeistern als schwierige Aufgabe galt, mit atemberaubender Leichtigkeit, ohne dabei ein einziges Mal zu zögern. Seine Augenlider waren halb geschlossen und vermittelten den Eindruck, er befände sich teilweise an einem fernen Ort, der allen anderen verschlossen war. Dabei saß sein Körper aufrecht und die Haltung des Kopfes wies darauf hin, dass er lautlosen Klängen lauschte. Als KaschiWagi nach der vorgesehenen Zeit den pulvrigen Tee zu Schaum schlug, entstanden in den beiden Kannen mit brodelndem Wasser sich immer rascher drehende Wirbel, die in den Augen des Schamanen ungläubiges Staunen hervorriefen. Als sich in den Porzellangefäßen rasend schnelle Strudel gebildet hatten, schossen sie fontänengleich in die Höhe und wanden sich über das Dach des Haupthauses hinweg nach Norden.

KaschiWagi sprang, nachdem seine Teezeremonie von höheren Mächten empfindlich gestört worden war, auf und erkundigte sich bei TseMitsu mit bebender Stimme, was sich hinter dem Haus befand. Als er vom sichtlich verdutzten Wirt erfuhr, dass dort der hiesige Ahnentempel seiner Familie stand, erhob er sich und erklärte mit gehetztem Blick, die Geister wären unruhig und wollten ihm etwas Entscheidendes mitteilen. Sein Blick richtete sich auf Sarazian, so als ob er von seinen magischen Kenntnissen wüsste, und meinte, er sollte ihm in den Tempel begleiten und ihm bei der Geisterbefragung, die er dort durchzuführen gedachte, hilfreich zur Hand gehen. Sarazian atmete leicht frustriert aus. Doch da er seinen Gastgeber, den Wirt, nicht enttäuschen wollte und ihm MikiFune motivierend einredete, gab er nach und stimmte ein. Allem Anschein nach hatte sich sein Auftrag, sich um einige Räuber zu kümmern, nun um eine Geisterjagd erweitert. Doch was tut man nicht alles für sein Geld?

Der Ahnentempel des Anwesens befand sich inmitten des nördlichen Hofes, von einem flachen Zierfischteich umgeben. Seine Papierwände waren mit schmuckvollen Malereien in blassen Farbtönen verziert, die sich harmonisch in die Umgebung einfügten. Sarazian schaute sich neugierig um. Auf den Holzbalken waren Kalligraphien zu erkennen, die den Eintretenden aufforderten, den Toten die nötige Ehrfurcht zukommen zu lassen, und daran erinnerten, wie vergänglich ein menschliches Leben im Strom der Zeit war.

BILD: HERBERGE EWIGE WONNE

KaschiWagi brachte seinem fremdländischen Helfer, dem Magier, nahe, den Tempel nur demutsvoll mit gebeugtem Haupt zu betreten. Vor der Türschwelle des Gebäudes, wo die beiden Wasserstrudel aus den Teekannen zu Boden gegangen waren, hatte sich auf den Holzdielen des Steges eine Lache dampfenden Wassers gebildet.

Im Inneren des Ahnentempels ragte eine auf einem Steinsockel sitzende Marmorstatue ehrfurchtgebietend bis dicht unter die Decke des großen Raumes empor. In ihrem Schoß ruhte eine flache Porzellanschüssel, in denen Aschereste andeutenden, dass sie zum Verbrennen von Räucherwerk diente.

Auf dem Sockel standen schmucke, sorgfältig versiegelte Porzellanurnen mit den Ascheresten beziehungsweise mit persönlichen Gegenständen der Verstorbenen, allesamt Verwandte TseMitsus. Davor lagen drei ausgerollte Bastmatten auf den Steinfliesen, auf denen sich KaschiWagi niederließ und dreimal ehrerbietig verneigt, ehe er das Ritual begann.

Danach kramte er aus seiner Ärmeltasche eine Reihe dünner Räucherstäbchen, die er in einer bestimmten Anordnung in die Räucherschale platzierte. Dann entzündete er sie mit wenigen geübten Handgriffen und bald darauf breitete sich ein süßlich-scharfer Duft aus, der die Statue in feinen Schwaden umstreifte. Als sie sich zu einem feinen Nebel verdichteten und schwer im Raum hingen, ergriff der Wu seine Gurijawa, eine schlanke Bambusflöte, und entlockte ihr eine Abfolge durchdringender Töne, während seine Füße einem unsichtbaren Muster folgend über den Boden strichen. Erstaunt konnte Sarazian beobachten, wie die Nebelschwaden vier formlose Säulen bildeten, die allmählich menschliche Gestalt annahmen.

Als das Spiel KaschiWagis endete, standen sich der Wu und der Magier den bleichen Abbildern von vier stolzen SaMurai gegenüber. Der Wu öffnete mit gespanntem Gesichtsausdruck seine Lippen und sprach lautlose Worte, die von den schemenhaften Kriegern offensichtlich beantwortet wurden, wie an der Haltung KaschiWagis abzulesen war. Dann, von jetzt auf gleich, veränderte sich die Situation. Die geisterhaften SaMurai rissen sie mit stummen Schreien schemenhafte Schwerter aus den Scheiden und stürzten sich gleichzeitig, wie durch einen unhörbaren Ruf folgend, auf den halb wirr stammelnden Geisterbeschwörer, der unter seinem Gewand einen münzgroßen Jadestein hervornestelte und weit von sich warf.

Als KaschiWagi unter den ersten vier Hieben zu Boden fiel und wie tot liegen blieb, erbleichte Sarazian. Daraufhin richteten die Geister ihre Blicke auf den Ausländer, wohl, da sie ihn als valianischen Magier erkannten. Sarazian war sich der Gefahr bewusst, welche Strafe ihm als nichtpriesterlichen Zauberkundigen drohte, wenn er seine Magie in diesem Land offen zur Schau stellte. Doch nachdem der Wu fiel, war er allein und niemand konnte ihm daher seinen folgenden Zauber beweisen. Schnell zückte er seinen eigenen Zauberstab, aktivierte das Thaumagral und ließ eine Abfolge von Blitzen auf die Samurai niedergehen, die sich infolgedessen in Luft auflösten.

Sarazian atmete einmal tief erleichtert durch. In seinem Kopf ratterte es. Waren diese Geister aufgrund des TsunMai-Festes und der Annäherung der Welt der Lebenden mit der der Toten stärker gewesen und konnten sich daher der Künste des Wus entziehen? Und warum waren diese Geister hier? Hatten sie noch etwas Wichtiges in dieser Welt und an diesem Ort zu erledigen, weshalb sie hier gebunden waren? Er verfluchte sich selbst, da er noch zu wenig über die Glaubenswelt der KanThai wusste und keinerlei Ahnung von dem hatte, was der Wu eigentlich erreichen wollte.

Der Wu! Sarazian hechtete los und kniete sich neben den leblosen KaschiWagi, um seinen Puls zu fühlen. Er war am Leben! Wegen des Lärms alarmiert kam nun auch TseMitsu durch die offene Türe des Ahnentempels hinein gestürmt und gaffte ungläubig auf seinen Gast, der neben seinem Freund kniete. Sarazian beruhigte den aufge-brachten Wirt und erklärte ihm das Geschehene, ließ dabei aber die Kleinigkeit mit seinen Zauber-künsten aus. Zu seinem Glück fragte der Wirt ihn aber auch nicht danach, wie er die Geister überhaupt vertreiben konnte, sondern bat Sarazian den Wu auf seine Kammer im Haupthaus zu bringen. Als dieser den Wu stützend ins Freie ging, bemerkte er noch aus den Augenwinkeln, wie der Wirt den am Boden liegenden Jadestein entdeckte, diesen aufhob und ihn in eine seiner Ärmeltaschen steckte.

Die Sonne war bereits untergegangen, als es sich Sarazian und MikiFune in ihrem Zimmer im ersten Obergeschoss des Haupthauses gemütlich machten. Während sich seine Begleiterin auf dem Futon bettete und schnell einschlief, ließen dem Magier seine Gedanken nicht zur Ruhe kommen. Und wie immer, wenn ihn etwas beunruhigte, musste er der Sache nachgehen. Leise schlich er durch den dunklen Raum, kleidete sich neu ein und trat aus dem Raum heraus.

Draußen herrschte abgesehen von dem Zirpen einiger Grillen beinahe absolute Stille. Auf halben Weg zum Ahnentempel, sprang ihm von einer erhöhten Position aus eine weiße Perserkatze vor die Füße, streifte seine Beine und huschte danach um die nächste Häuserecke. Als Sarazian seinen Weg fortsetzen wollte, kam unverhofft um die selbe Ecke, hinter der die Katze verschwunden war, MikiFune hervor. Wie kam sie so schnell hierher? Ertappt hinaus geschlichen zu sein, fragte sie ihn, was er hier zu dieser Stunde tat. Da es keine Chance gab dem Gespräch ohne zu lügen auszuweichen, erzählte er ihr, was zuvor beim Ritual KaschiWagis geschah. Immerhin war er noch nie gut darin zu lügen und jeder hätte seine Täuschung ohne Probleme durchschauen können. Die Dame zeigte Verständnis für ihn und erklärte sich bereit ihm zu folgen. Er widersprach ihr nicht, fragte sie aber dann doch, wie sie ihm so schnell folgen konnte. Sie blieb ihn jedoch eine Antwort schuldig und lächelte nur, es wäre eine lange Geschichte, für die sie hier und jetzt keine Zeit hätten. An der Schiebetüre vor dem Ahnentempel stolperte schließlich Sarazian über die kleine Stufe am Eingang, die er in der Dunkelheit nicht sehen konnte. MikiFune packte ihn blitzschnell am Ärmel, um seinen drohenden Sturz abzufangen. Er bedankte sich leise, wunderte sich aber, warum sie scheinbar keinerlei Probleme im Dunkeln hatte.

Sie schoben hinter sich die Türe zu, ehe sie eine kleine Laterne anzündeten. Sanftes flackerndes Licht erhellte den großen Raum. Zu ihrem Glück konnten sie durch ihre Laterne einen seltsamen Schatten am Fuße der Statue ausmachen. Im Sockel der Marmorstatue war ein kleiner Hohlraum eingelassen, der sich unter der Schale für das Räucherwerk befand. Interessiert knieten sie nieder und untersuchten die Stelle.

Als Sarazian mit seinen Händen die Vertiefung untersuchte und dabei bemerkte, dass man die Stelle runter drücken konnte, sank diese daraufhin knirschend eine Fingerbreite in eine kreisrunde Vertiefung und ein schmales Fach im Sockel öffnete sich mit leisen Schaben. Im Inneren des Faches befanden sich vier alte, blutverschmierte Seidenkimono mit unauffälligen Blumen-musterungen, an denen der Zahn der Zeit deutliche Spuren hinterlassen hatte.

Sie nahmen die Kimono heraus. Ihrem Schnitt nach waren sie für Angehörige der Samuraikaste gemacht und Sarazian dachte sogleich an die geisterhaften Krieger einige Stunden zuvor. Auf ihnen standen mit eingetrocknetem Blut und mit zittriger Schrift etwas. Leider konnte der Magier diese Schriftart der KanThai nicht lesen, weswegen MikiFune sich dessen annahm. Es handelte sich um vier Haikus, die jemand vor vielen Jahren in aller Eile und wohl mit seinem eigenen Blut niedergeschrieben hatte, weswegen er scheinbar auch keinen Wert mehr auf das Reimschema legen konnte.

 

1. Schande – ein heißer Wind, der die liebliche Blüte des Kriegers verwelkt.

 

2. Schande – ein steter Fluss, der den stärksten Fels aushöhlt.

 

3.Schande streckt den stärksten Krieger nachhaltig nieder, als dies selbst der vollendetste Schwerthieb vollbringt.

 

4. Schande, Schande, der Schmerz des Stahls ist unbedeutend gegen den Schmerz der Seele.

 

Es hatte ganz und gar dem Anschein, dass diese vier Samurai einen wichtigen Auftrag hatten und diesen vor ihrem Tode nicht erfüllen konnten. War diese Tatsache auch der Grund dafür, warum sie noch in dieser Welt gebunden waren und aggressiv auf den Wu reagiert hatten? Es nutzte nichts. Ohne weitere Informationen, was es mit den toten Samurai auf sich hatte, konnten sie nicht des Rätsels Lösung ermitteln. Sie verstauten die Kimono wieder in dem Fach, verschlossen es und gingen aus dem Ahnentempel zurück in den Innengarten.

Mittlerweile war es frisch geworden. Da sie ohnehin nicht mehr ans Schlafen denken konnten, betraten sie den Gastraum, weil in seinem Inneren noch Licht brannte. Etwas erschöpft ließen sie sich auf die Stühle an einem der Tische fallen. Nach wenigen Augenblicken kam der Wirt an sie heran und fragte sie, ob sie Durst verspürten. Sarazian lehnte sich vor, da er seine Chance witterte, jetzt neue Informationen zu erlangen, und fragte ihn nach der Geschichte des Gasthauses. Dabei erwähnte er auch die vier gefundenen Kimono.

Verwirrt über diese plötzliche Frage, erzählte TseMitsu ihm dennoch die Geschichte der „Ewigen Wonne“. Vor achtunddreißig Sommern hatte er diese Herberge als einen rußgeschwärzten, bis auf die Grundmauern heruntergebrannten Trümmerhaufen vorgefunden und ihn in mühsamer und jahrelanger Arbeit wieder aufgebaut. Dabei war ihm allerdings nichts Außergewöhnliches aufgefallen und er konnte sich auch nicht erklären, woher die blutverschmierten Kimono stammten beziehungsweise was sie in dem geheimen Fach zu suchen gehabt hatten. Die Statue und auch deer Raum, in dem sie stand, waren damals noch als einzige intakt gewesen, als er den Wiederaufbau vornahm und hatte bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Ahnung von einem darin eingelassenen geheimen Fach.

Als der Wirt fortging, um ihnen Getränke zu bringen beugte sich Sarazian zu MikiFune vor und erklärte ihr, dass irgendetwas vor achtunddreißig Jahren, bevor der Wirt das Haus wieder aufgebaut hatte, vorgefallen sein musste. Was oder wer auch immer das einstige Gasthaus niedergebrannt hatte, musste auch für das vorzeitige Ableben der Samurai verantwortlich gewesen sein, sodass sie nie ihren auferlegten Auftrag erfüllen konnten und darum in Schande starben.

Dann ging die Eingangstüre auf und ein in auffälligen Kleidern geschmückter Mann betrat den Gastraum. Seine Gewänder waren aus bunter Seide gefertigt und ließen vermuten, dass dieser Herr aus einer vermögenden Familie stammte. An seiner Seite baumelte ein schillerndes Bündel mit drei unterschiedlichen Masken.

MikiFune erkannte Sarazians fragenden Gesichtsausdruck und erklärte ihm, dass der Mann ein Schauspieler sein musste. Diese Noh-Masken wurden bei pantomimischen Aufführungen getragen. Mit ihnen vermochte ein Schauspieler die männerfressende Dämonin Otsugi mit grinsender Fratze, den tumben MiLo-Ringmeister OkaWana, der vor allem im nördlichen TsaiChen-Tal einen legendären Ruf genoss, sowie den einfachen Reisbauern Yaki, der den Überlieferungen zufolge den stolzen Samurai Hashimoto mit seinem Strohhut besiegt haben soll, darstellen.

Der Fremde begrüßte den Wirt und stellte sich als Schauspieler XiPenDo vor, der sofort, als er auf seine Bestellung wartete, vor den übrigen wenigen Gästen anfing, mit seinem Leben zu prahlen. Ihm zufolge konnte sich einer seiner Urahnen namens Uryawa, der sich vom einfachen Schneider aufgrund seines unerschütterlichen Lebensmutes und seines frohen Gemüts sogar bis zum Darsteller am Hofe des mächtigen SchiDoscha hochdienen. Sarazian rollte mit den Augen, denn diese Prahlerei erinnerte ihn zwangsläufig an seinen Adoptivvater. XiPenDo nahm sein Getränk an und nahm einen tiefen Schluck. Da er sich der Aufmerksamkeit der anderen Gäste sicher war, begann er diverse Geschichten, die von dieser Region handelten, zu erzählen. XiPenDo wusste ferner zu berichten, dass die Einwohner des nahen Dorfes Sushin in großer Angst vor einem Überfall einer skrupellosen Räuberbande, die sich selbst die „Söhne der Dunklen Wälder“ nannte, lebten. Daneben bedrückte die Bewohner ein weiterer schwerer Schicksalsschlag. Seit einigen Wochen triebe sich nämlich eine überaus hungrige Bestie in den Wäldern östlich der alten Burgruine Oneshi herum, die regelmäßig die Fallen der wenigen Jäger plünderte, so dass die Dörfler darbten und nunmehr Reis und Gemüse zu essen bekamen. Des weiteren erzählte XiPenDo in den Abendstunden den Interessierten aus der Vergangenheit der Burg Oneshi:

Im Jahr der Schlange 2363 nL überfielen die Truppen des SokugareKanwaLo, des Fürsten Kanwa aus der Familie Sokugare, im Schutze eines Unwetters die Festung seines erbitterten Rivalen, um an die Macht an der Südküste des Schattenmeeres zu gelangen, TamakuraYashidoLo, die Burg Oneshi. Der Angriff war von List und Tücke geprägt. Das Überfallkommando drang durch einen geheimen Fluchtstollen in das Innere des Gebäudekomplexes ein, wo sie wie Füchse im Hühnerstall wüteten und die überraschten Verteidiger beinahe ohne Gegenwehr niederstreckten. Durch diese heimliche Attacke war die direkte Linie des ruhmreichen Fürsten TamakuraYashido völlig ausgelöscht worden.

Sarazian lauschte den Erzählungen des Schauspielers gespannt. Stimmten seine Erzählungen über diese Gegend, so war der Angriff auf diese Burg vor fünfundfünfzig Jahren geschehen (Jetztzeit 2420). Vielleicht war dies auch der Grund für das unrühmliche Ende der Geistersamurai, weshalb sie in Schande gestorben waren und der einstige Gasthof niedergebrannt wurde. Doch wieso tauchten die Geister dann ausgerechnet hier und nicht etwa an der Burgruine auf? Dann kam ihn ein Geistesblitz. Waren diese vier Samurai etwa bei dem Angriff auf die Burg ihres Fürsten feige geflohen und hierher geflüchtet? Sie konnten entdeckt worden sein, weshalb die Angreifer dann diesen Ort samt den Flüchtigen niederbrannten. Doch etwas stimmte nicht an seiner Theorie. Die Kimono wären dann verbrannt gewesen und irgendwer musste sie immerhin in das geheime Fach gelegt haben. Sarazian biss sich nachdenklich auf die Unterlippe.

Ein zweiter Gast traf zu später Stunde ein. Es war eine schmächtige Gestalt, die in abgetragener Kleidung steckte und bis auf einen Ring mit einem Jadestein verfügte er offenkundig über keine weiteren Besitztümer.

Während seines Aufenthaltes hörte Sarazian seinen Namen, Seyoko. Dieser gab sich betont leutselig und suchte die Nähe des alles überstrahlenden XiPenDos. Während der Schauspieler in einer seiner vielen dargebotenen Geschichten schwelgte, fiel Seyoko ein kleines Tontiegelchen aus der Tasche, das XiPenDo sogleich erspähte und vom Boden aufhob. Ehe dies der eigentliche Besitzer bemerkte hatte der Schauspieler dieses auch schon geöffnet und zeigte sich sehr überrascht, darin Bartkleber vorzufinden. Der bartlose Seyoko erklärte dies damit, dass auch er in seiner Freizeit sich mehr oder weniger erfolgreich in der Kunst der Schauspielerei übte. XiPenDo schlug angesichts eines solchen Zufalls verzückt vor, am nächsten Tag mit ihm ein kurzes Stück einzustudieren und dann am Abend in der „Ewigen Wonne“ aufzuführen. Voller Glück sein Können in Begleitung eines großen Schauspielers zu versuchen, stimmte Seyoko umgehend in den Vorschlag ein und nahm den Bartkleber zurück. Im Laufe des weiteren Abends kamen die zwei immer wieder auf die hohe Kunst des Schauspielens zu sprechen, ein Thema, bei dem sich Seyoko erstaunlich firm zeigte und über ein beachtliches Wissen verfügte.

Sarazian zog sich wenig begeistert und auch ein kleines bisschen angewidert zurück und setzte sich erneut zu seiner Begleiterin. Sein Ziehvater, der ihn als Kind von der Straße aufgesammelt und bei sich zuhause aufgenommen hatte, hatte ihn damals mehrere Male, während seine leiblichen Kinder in ihren Stuben bleiben sollten, um für bessere Noten auf der Akademie zu üben, mit ins Theater genommen. Er empfand diese spielend und gekünzelten Darbietungen einfach nur als todlangweilig und hätte mit seiner Freizeit bessere Dinge anfangen können. Aber sein Ziehvater bestand darauf, da er es sich wegen seiner Bestnoten verdient hatte auch mal etwas auszuspannen und sich kulturell weiterentwickeln sollte.

Viele der Gäste waren schon gegangen, als sie von draußen Geräusche vernahmen und durch ein Fenster in den durch Laternen beleuchteten Hof spähten. Der Tross, der nach dem Öffnen des Tores in den Innenhof der „Ewigen Wonne“ Einzug hielt, umfasste elf Personen. Sie teilten sich auf in vier Krieger in schweren Rüstungen, die eine Sänfte aus rotlackiertem Holz flankierten. Diese wurde von vier sichtlich erschöpften Dienern mit breiten Schultern getragen und bot nur einer Person Platz. Den Abschluss des Zuges bildeten zwei weitere Diener, die ein halbes Dutzend leicht bepackte Maultiere am Zügel führten. Einer der Krieger trug eine bunte Laterne an einem langen Stecken, auf der in großen Buchstaben geschrieben stand: Tojin aus der Familie Nahiragi – Kauffahrer und Handelsmeister.

Nachdem der Tross sich in den Innenhof ergossen hatte, schlossen die Knechte der Herberge die Tore eiligst wieder und schickten sich an, die Maultiere in die Stallungen zu führen. Die Träger ließen die Sänfte vor dem Eingang des Haupthauses zu Boden und nahmen im Hintergrund Aufstellung. Die Krieger ließen ihre Blicke über den Hof schweifen, ehe sie sich zur Sänfte begaben und die Türe öffneten.

Aus der Sänfte trat ein aristokratisch wirkender KanThai in raschelnden Seidengewändern, der über eine herausragende Körpergröße verfügte. Er spielte lässig mit einem Fächer aus Pfauenfedern und musterte die Herberge mit abschätzendem Blick. Dann wandte er sich dem Wirt zu und orderte für sich und seine Krieger zwei nebeneinanderliegende Unterkünfte, woraufhin er sich abrupt abwendete und der Schankstube zustrebte.

Der adlige Händler begab sich nach seiner Ankunft sofort auf seine Kammer und schenkte keinem der Gäste auch nur einen einzigen Blick. Dies und die Tatsache, dass er sich mit keiner Faser seines hochgeborenen Körpers der Ausrüstung auf den Maultieren widmete, kam Sarazian prompt ungewöhnlich vor. Zudem empfand er es als merkwürdig, dass die begleitenden Krieger sich wie kampferprobte Recken bewegten, dabei jedoch außergewöhnlich nervös wirkten. Die Diener indes erwiesen sich als stumm wie Fische und wirkten ebenfalls nervös.

Abermals öffnete sich die Eingangstüre und ein Mann Namens Ridschian betrat mit drei Dienersöldnern das Etablissement. Obwohl scheinbar außergewöhnlich vermögend, erging er sich den ganzen Abend in Wehklagen über die schlechter werdenden Geschäfte und den stetig sinkenden Gewürzhandel zwischen Ulwar und dem TsaiChen-Tal, woraufhin ihn XiPenDo mit Spott bedeckte. Daraufhin nahm Ridschian Abstand vom Schauspieler und setzte sich ohne vorher um Erlaubnis zu bitten zu Sarazian und MikiFune an den Tisch und wehklagte dort weiter. Sarazian hatte sich sehnlichst einen ruhigen Abend gewünscht und fühlte sich durch die zu solch später Stunde einfallenden Gäste belästigt. Als dann die beiden Tänzerinnen Jademund und kleine Kirschblüte auf einer niedrigen Bühne begannen ihre Show aufzuführen, nutzte der Magier die Gelegenheit aufzustehen und zum Treppenabsatz zum ersten Obergeschoss zu gehen. Von dort aus winkte er MikiFune zu sich, um mit ihr aufs Zimmer zu gehen.

Am nächsten Morgen wurden die beiden unsanft aus ihrem Schlaf durch ein Klopfen an ihrer Zimmertüre geweckt. Oto, die Frau des Wirtes TseMitsu, erklärte ihnen verstört vom Verschwinden ihres Mannes. Ihr Mann wäre am gestrigen Abend, nachdem der Kaufmann Tojin eingetroffen war, noch einmal zur Andacht in den Ahnentempel gegangen und nicht mehr zurück gekehrt. Als sie dann nach ihm sah, hatte sie dort nur einen Jadestein vorgefunden, den sie sich nicht erklären konnte. Ihr Mann indes war nirgends auffindbar, weswegen sie sich nun große Sorgen über seinen Verbleib machte. Oto bat sie mit tränenerstickter Stimme, nach ihrem Gemahl zu suchen. Den Jadestein überließ sie Sarazian, da sie intuitiv vermutete, er hätte etwas mit dem Verschwinden ihres Gemahls zu schaffen.

Sofort zogen sie sich an und begaben sich unmittelbar zum Zimmer des Wus. Sarazian vermutete, dass das Verschwinden des Wirts etwas mit dem fehlgeschlagenen Ritual und den Geistern der Samurai zu tun hatte. Und vielleicht konnte er ihnen darum sagen, wo sich sein Freund befand. Als der Wu KaschiWagi nicht auf sein Klopfen und Rufen reagierte, öffnete er einfach die Schiebetüre. Allerdings stellten sie sofort fest, dass auch KaschiWagi verschwunden war, er aber, warum auch immer, all seine Habe zurück ließ.

Sie durchstöberten die Habe und fanden dabei neben einem Teeservice aus feinstem Porzellan, auf denen die Auferstehung eines Phönix dargestellt war, noch ein Schreibset in einem schwarzen Lackkästchen und ein Knochenrad. Letzteres erregte das Interesse des Magiers. Das Knochenrad bestand aus einem fünfundzwanzig Zentimeter durchmessenden Ring aus menschlichen Daumenknochen, die durch Spinnweben magisch verbunden waren. Laut Sarazian war dies ein Gegenstand, um sich durch furchterregendes Heulen vor Angreifern zu schützen und wie der Zauber „Namenloses Grauen“ wirkte. Da sich der Raum als Sackgasse erwies, setzten sie im Haupthaus ihre Untersuchung fort. Diese eingehende Nachforschung ergab, dass nebst TseMitsu und KaschiWagi auch Seyoko nicht mehr anwesend war. Zudem hatte irgendwer das schwere Tor der Palisadenmauer in der Nacht geöffnet. Waren sie zu dritt in die Nacht entschwunden? Doch wieso jetzt und ohne jemanden einzuweihen? TseMitsu hielt er für einen besonnenen Mann, dem seine Frau überaus wichtig war. Sie hätte er mit Bestimmtheit eingeweiht. Sarazian hatte ein ungutes Gefühl und wollte die drei allein in der näheren Umgebung suchen gehen. Er selbst konnte sich mit seinen Zauberkünsten notfalls verteidigen, hatte aber Angst um seine Begleiterin. MikiFune jedoch bestand darauf ihm zu folgen und ließ sich nicht umstimmen.

Noch im jetzt leeren Gastraum stehend, ging Sarazian in sich. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Was wollten die Geister mit dem plötzlichen Angriff auf den Wu wirklich erreichen? An diesem Fest konnte es nicht gelegen haben, da war er sich sicher. Zwar näherten sich in diesem Zeitraum die Welten der Lebenden und die der Toten an, doch wenn es daran gelegen hätte, dann hätte es auch schon in der Vergangenheit Angriffe oder zumindest Erscheinungen gegeben. Etwas musste diesen Angriff also provoziert haben. Dann erinnerte er sich an etwas. Als der Wu mit den Geistern gesprochen hatte, warf er unmittelbar vor der Attacke einen Stein fort, den der Wirt später aufgenommen hatte! Er holte den Jadestein hervor, der ihm Oto überreicht hatte und analysierte ihn mit einem Erkennungszauber. Der Stein war magisch! Das musste der Grund sein. Doch warum verließen sie dann heimlich in der Nacht das Haus? Irgendein Puzzlestein schien zu fehlen. Dann fiel ihm die Geschichte des Schauspielers wieder ein, von einem Monster, welches auf der nahen Burgruine angeblich sein Unwesen trieb. War das Monster etwa ein Teil dieses Rätsels und auf irgendeinem Weg in diese unheilvolle Geschichte verwickelt?

Gerade als er sich zu MikiFune umdrehte, um ihr zu verkünden, dass sie zur ehemaligen Burgruine aufbrechen mussten, hörten sie Tojin. Der Handelsherr hatte sich etwas legerer gekleidet und schritt die Treppe hinunter. Sie vernahmen noch das Flehen seiner Krieger, die ihn nachdrücklich baten von seinem Plan abzusehen, doch er entgegnete ihnen laut und bestimmend. Er wollte alleine verreisen und wünschte sich bei seiner Rückkehr eine entspannte Unterhaltung von den Tänzerinnen. Dann lief er an den zwei Abenteurern vorbei und nahm an einen Tisch Platz, den er alleine für sich beanspruchte. Während dann auch sein Gefolge erschien, setzten sich die Krieger an einen anderen Tisch. Seine Knechte bedienten zuerst den Kaufmann, wobei ihre Stirnen stets den Boden berührten, ehe sie ihm Speis und Trank reichten. Danach sorgten sie für das leibliche Wohl der Krieger, wobei sie auch dabei Ehrerbietung nicht vermissen ließen.

 

Akt 48:

Der Schrein des Schwarzen Fuchses:

 

teilnehmende Abenteurer:

Adeptus Rhegaru Sarazian Elissa (SL-Char, Valian, Magier), MikiFune (NPC)

 

Es war schon spät am Morgen, als Sarazian und MikiFune die Überreste der einst stolzen Festung Onshi, die sich auf einem steilen Hügel etwa eine Fußstunde von der Herberge entfernt lag, erreichten. Schon von weitem war zu erkennen, dass die Angreifer ganze Arbeit geleistet hatten. Nicht ein Stein saß mehr auf dem anderen und nach all den Jahren waren noch schwarze Rußspuren auf den Granitblöcken zu sehen. Im Inneren der Ruinen hatte nach langen Jahren wieder Vegetation Fuß gefasst. Einige dornige Sträucher, zähe Ranken und Unkräuter verdeckten nun die verbrannte Erde und die dicke Aschedecke, zu der die Kostbarkeiten der Burg in der Angriffsnacht verbrannten.

Mit einem vorsichtigen Handgriff holte Sarazian seinen Fledermausfreund hervor, der die meiste Zeit über in seiner Westentasche verbrachte und bat ihn die Umgebung im Auge zu behalten. Sein Vertrauter vernahm seine Worte und stieg in die Lüfte empor. Einige Stunden verbrachten sie damit in den Trümmer nach Spuren und geheimen Räumlichkeiten zu suchen. Allerdings war ihre Suche von keinem Erfolg gekrönt, sodass sie enttäuscht von dem Hügel abzogen.

Unterhalb des Hügels traten sie wieder auf den Pfad, der in Richtung der Herberge führte. Am Rande eines kleinen Wäldchens erblickten sie einen verwilderten Weg, der in den Wald führte. Was zuerst als Tierpfad ausschaute, entpuppte sich als eine einstige richtige Straße, da durch das Grün des Bodens noch einige Pflastersteine zu erkennen waren. Frische Spuren führten sogar diesen entlang, weswegen dies ihr Interesse weckte.

Gerade als sie in diese alte Straße einbogen wollten, kam ihnen auf der Kreuzung ein Mann entgegen. Er war ein Holzfäller aus dem nahen Dorf Sushin, der sie sofort warnte. Er riet ihnen die Umgebung der Burg zu meiden, als auch diesem Weg, der zum Schrein des Schwarzen Fuchses führte, weil es dort spukte. Sarazian witterte die Gelegenheit von diesem gesprächsbereiten Arbeiter fehlende Informationen zu erhalten und löcherte ihn mit Fragen. So konnte dieser ihnen mitteilen, dass irgendwo in den Wäldern hier die Räuberbande „Söhne der Dunklen Wälder“ hauste. Auf ihr Konto gingen sowohl die Plünderungen der Dörfer SuTschai und Iwen, beide etwas entfernt von hier gelegen, sowie mehrere Überfälle auf Reisende. Des weiteren konnte er ihnen mitteilen, dass vor einem halben Jahrhundert die Burg Onshi des Fürsten TamakuraYashido in einer Gewitternacht von den Truppen des Fürsten SokugareKanwa eingenommen und am nächsten Tag bis auf die Grundmauern geschleift wurde. Weder ein Mitglied der Familie noch ein Bewohner der Festung hatten das Massaker überlebt. Fürst Kanwa hatte sogar verboten in den Trümmern der Burg umherzustreifen, warum, wusste bis heute niemand. Sarazian bedankte sich bei dem Mann. Insgeheim hatte er sich von diesem Gespräch aber mehr erhofft.

Als der Holzfäller außer Sicht war, folgten sie dem nunmehr schmalen, fast vollständig verwachsenen Pfad in den Wald. Der Weg endete nach einem kurzen Stück an einem modrigen Tor. Am Tor befand sich auf einem flachen Stein eine einfache Holzschüssel, in der wohl anlässlich des TsunMai-Festes einige Opfergaben, wie kandierte Früchte und gesalzener Fisch lagen, die ein gefundenes Fressen für hunderte Fliegen darstellten.

KARTE DER UMGEBUNG

Der Schrein selbst erhob sich auf einer sanften, grasbewachsenen Anhöhe mit zahlreichen Büschen, zwischen denen unkrautüberwucherte Steine hervorlugten. Es war auf dem ersten Blick ersichtlich, dass der Boden mancherorts aufgegraben wurde und zu ihrem Erstaunen sahen sie dort bleiche Knochen schimmern. Die Außenmauer des Schreins aus großen, schwarz gewordenen Backsteinen war an mehreren Stellen eingefallen und das kopflastige Bogendach senkte sich mittlerweile bedrohlich. Modernde Holzbalken lagen am Fuß der Mauer, und ein schwacher Verwesungsgeruch hing in der Luft. Links und rechts des Eingangs stand jeweils eine lebensgroße Steinstatue eines Fuchses, die auf hohen Granitsockel saßen. Um die Hälse der beiden Abbilder waren schmutzigrote Stofffetzen drapiert. Zum Eingang führten drei Steinstufen hinauf und endeten vor der windschiefen Rautentüre.

Einige Geräusche aus dem Gestrüpp um sie herum ließen sie umfahren. Auffällig viele Tiere trieben sich anscheinend im Unterholz herum und übertönten sogar mit ihrem Geraschel das Zirpen der Zikaden.

Sie wandten sich wieder dem Schrein zu und erkannten, als sie näher heran traten, die schaurige Gestalt eines flatternden Leichentuches mit aufgesetztem Totenschädel an einem Haken im Türrahmen baumeln. MikiFunes Herz schmerzte sichtlich schwer und sie ging auf die Knie. Irgendwer hatte sich damals die Arbeit gemacht, um diesen Schrein liebevoll zu errichten und ihn mit feinsten Steinarbeiten zu versehen. Diesen jetzt so zerfallen und gleichfalls so entweiht zu sehen, verletzte sie. Sarazian trat an sie heran, tröstete sie und half ihr aufzustehen.

Über die Stufen hinweg, öffneten sie die klemmende Eingangstüre und traten in das Haus. Im Inneren des Schreins befand sich ein aus groben Brettern gefertigter Tisch, ein niedriger Bambusstuhl und ein Rattanschemel. In einer Ecke des Raumes sahen sie einen Haufen Lumpen, der irgendjemand wohl als Bettstatt diente. Des weiteren wurde nun ersichtlich, dass die obere Hälfte der rückwärtigen Wand eingefallen war und durch das eingesackte Dach die Sonne hereinschien. Dort hatten sich dichte Efeubüschel durch den Spalt gerankt und hingen nun an den großen Mauersteinen herab.

Plötzlich stürzte eine alte Frau aus einem Versteck im Schatten und stellte sich ihnen mit einem erschreckend scharf aussehenden Dolch entgegen. Sie stieß dabei irre Laute aus und in ihrem Blick winkte der Wahnsinn. Dann sank sie, ohne dass die zwei Eindringlinge etwas taten, wimmernd zu Boden und machte keine Anstalten mehr, sich zu bewegen. Die Frau bot einen wahrhaft erbärmlichen Anblick. Wenngleich ihre Beine von schmutzigen Lumpen verhüllt waren, war ihr Oberkörper nackt und offenbarte Schweißbächlein, die zwischen den vollen Brüsten und über die runden Schultern hinabrannen. Ihr wirres Haar war mit einem roten Lappen hochgebunden. Während sie vor ihnen auf dem Boden kauerte, erbebte ihr Körper von Zeit zu Zeit an Schüttelfrost und aus ihrem eigentlich schön geschwungenem Mund quoll weißlicher Schaum hervor.

Die Frau konnte unmöglich mehr verhindern, dass die zwei in ihr Reich eindrangen und nahm es dann hin. Während Sarazian ihr den Dolch abnahm, sich dabei versehentlich leicht an seiner Hand schnitt und diesen dann in eine Ecke warf, beugte sich MikiFune zu der Frau hin. Auch wenn ihre Fähigkeiten in der Heilkunst sehr begrenzt war, konnte sie aufgrund des hohen Fiebers der alten Frau feststellen, dass sie eine schwere Infektion durchmachte. MikiFune legte ihr eine Decke über ihre Schultern und der Magier versuchte ein vorsichtiges Gespräch mit ihr einzugehen.

Trotz ihrer verhaspelten Stimme, konnten die meisten seiner Fragen beantwortet werden. So bezeichnete sie den Galgenmann im Türrahmen als ihren Geliebten, den sie aufstellte, um Neugierige vom Schrein fernzuhalten. Falls dieser einmal kaputtgehen sollte, dann würde Safran, so ihr Name, einfach einen neuen Totenkopf ausgraben. Ihre einzigen Freunde hier waren die Füchse, die dem großen Geist, der ihr einst als schwarzer Fuchs erschienen war, dienten und sie sogar beschützten. Dieser große Geist war der eigentliche Hausherr des Schreins und zugleich der Wächter über all die Toten. Safran bezeichnete sich darüber hinaus als eine verstoßene Ehefrau, die von ihrem Gemahl fortgeschickt wurde.

Sarazian konnte unmöglich sagen, wie viel Wahrheit in ihren Worten steckte. Der Magier bohrte aber weiter nach, da es den Anschein hatte, als ob Safran nun froh darüber wäre, endlich ihre Geschichte jemandem mitteilen zu können. Irgendwann im Laufe des Gesprächs fing Safran dann an, von den Ereignissen in der „Ewigen Wonne“ zu stammeln und erzählte mit starrem Blick folgendes:

„Eine schlimme Nacht. Sturm und Hagel, Donner und Blitze, Regen trommelt auf das Dach. Ein Klopfen an der Türe? Roku geht, denn Roku ist ein guter Mann. Vier Krieger, nass, frierend. Ein Bündel in ihrem Arm. Was mag das sein? Draußen hört Safran Schreie. Roku schließt das Tor, denn Roku ist ein guter Mann. Vier Männer verschwinden und Roku geht mit ihnen, denn Roku ist ein guter Mann. Draußen pocht es. Doch Roku öffnet nicht, denn Roku ist ein guter Mann. Safran hat Angst. Was mag da vorgehen? Draußen schlägt es gegen das Tor. Doch Roku öffnet immer noch nicht, denn Roku ist ein guter Mann. Dann kehrt Roku zurück. Er sagt zu Safran, sie müsste gehen, er und Safrans Kind aber würden hierbleiben, und er sei ein guter Mann. Sie solle sich aber nicht erwischen lassen. Dann ist Silber in Safrans Hand. Safran versteht nicht. Doch Roku versteht, und öffnet die Hintertüre. Safran geht, geht in den Wald. Doch Schatten sind überall. Safran rennt, schreit nicht, denkt an Rokus Worte, denn Roku ist ein guter Mann. Dann herrscht Ruhe.“

Nachdem sie geendet hatte, sackte sie in sich zusammen und blieb regungslos liegen. Ihre Kräfte schwanden in den darauffolgenden Minuten zusehends, während die beiden dazu verdammt waren, nichts dagegen tun zu können. Safran hatte ihre Geschichte erzählt und nahm ihr Schicksal, nun der Krankheit zu erlegen, an. Sie verstarb in Ruhe und der Wahnsinn verschwand aus ihren Augen.

Es dauerte eine ganze Weile ehe es ihnen gelang mit den einfachsten hier vorzufindenden Mitteln ein Loch auszuheben, um Safran darin zu betten. Sie begaben sich schweigend zu der Kreuzung auf dem Hauptpfad zurück. Wer war diese Frau und wer war ihr Gemahl Roku gewesen? Gerade als sie an der Wegkreuzung links in Richtung der Herberge einbiegen wollten, schaute MikiFune noch einmal zurück zur Burgruine. Sie zuppelte leicht an Sarazians Ärmel und brachte ihn zum Anhalten. Fragen blickte er sie an und folgte ihrem Fingerzeig. In einiger Entfernung war der Handelsherr Tojin auszumachen, der sich etwas mühsam den Hang zur Burgruine hinauf schleppte. Und das ohne sein Gefolge. Sie blickten sich kurz einander an, ehe sie ihm heimlich folgten.

Auf der Kuppe ließ sich Tojin dann ganz offensichtlich im Schatten der Steinquader zum Gebet nieder, woraufhin dann einige Zeit verstrich, ohne dass etwas Bemerkenswertes geschah. Dann plötzlich löste sich aus einem mannshohen Steinquader im Rücken des Betenden ein bleicher Schemen, der sich mit hocherhobenem Schwert anschickte, den Sitzenden von hinten zu erschlagen. Schnell wirbelte Tojin herum und begann sich einen Schlagabtausch mit dem Geist zu liefern. Während des Kampfes war ständig ein leises Jammern „Mein Sohn, mein Sohn“ zu hören, der von dem Schemen zu kommen schien.

Sarazian reichte es. Zwar durfte er in Gegenwart dieses reichen und einflussreichen Mannes keine Zaubersprüche verwenden, doch für diesen Kampf würde es bei seiner jahrelangen Erfahrung ausreichen, seinen magischen Dolch zu benutzen. Er sprang aus seinem Versteck und eilte zu den Kämpfenden. Nach einigen gezielten Angriffen konnten Sarazian und Tojin ihren Kontrahenten wieder in das Reich der Toten zurücksenden.

Nach dem Gefecht dankte der Kaufmann dem eingreifenden Helden für seine Tat und versprach ihm eine reiche Belohnung nach der Rückkehr in die „Ewige Wonne“. Dabei wurde jedoch deutlich, dass er trotz Sarazians helfenden Eingreifens ihm gegenüber misstrauisch war. Als dann auch MikiFune zu ihnen stieß, gab er ihnen eine Erklärung für seinen Besuch hier. Angeblich brächte es Geschäftsglück, wenn man an alten Orten mit Tradition die Geister der Toten anbetete.

 

Akt 49:

Wahrheiten:

 

teilnehmende Abenteurer:

Adeptus Rhegaru Sarazian Elissa (SL-Char, Valian, Magier), MikiFune (NPC)

 

Sie gingen mit Tojin zurück in die Herberge. Sarazian war jetzt sogar noch verwirrter, als er es vor dem morgendlichen Aufbruch zur Ruine gewesen war. Und auch Tojins Begründung, warum er die Ruine aufgesucht hatte, schien ihm nicht ganz plausibel zu sein. Er warf Tojin einen misstrauischen Blick zu, der ihn ebenfalls abschätzend beäugte.

Nach dem Betreten der sicheren Herberge war von dem gegenseitigen Misstrauen nichts mehr zu spüren. Tojin bedankte sich umgeben von seinen Kriegern und seinen Dienern höflichst bei den beiden Rettern und überreichte ihnen als Dank seinen kostbaren Fächer. Er bestand aus Kranichfedern und besaß einen Jadegriff, den MikiFune sofort an sich nahm. Nachdem sich Tojin abwendete und zu seinem Zimmer ging, verbeugten sich die vier Krieger noch dankend bei ihnen.

Oto begrüßte die zwei. Dann erschrak sie kurz und machte Sarazian auf seine blutende Hand aufmerksam. Er hatte sich verletzt, als er Safran ihren Dolch abgenommen hatte, war bis dahin aber so weit in seine Gedankenwelt abgedriftet, dass er bisher noch keine Notiz davon genommen hatte. Oto kümmerte sich umgehend um die Verletzung ihres Gastes und überreichte ihnen danach eine Kanne mit grünem Tee. Als Oto dann den Namen Roku vernahm, wurde sie nachdenklich. Roku war der Wirt der einstigen „Ewigen Wonne“ gewesen, bis zur Eroberung der Burg Onshi, bei dem auch das Gasthaus niedergebrannt wurde.

Jetzt wurde Sarazian so einiges klar. Safran war Rokus Gemahlin gewesen. Als die Burg fiel waren die vier Samurai mit etwas in ihrem Gepäck hierher geflüchtet und baten Roku um einen Gefallen. Was auch immer dies war, es rechtfertigte auch eine Verfolgung und das Niederbrennen dieses Hauses.

Dann fiel Oto noch etwas ein. Das Verschwinden Seyokos hatte definitiv nichts mit dem Verschwinden ihres Mannes und dem des Wus zu tun. Jademund erzählte ihr nämlich heute Morgen, nachdem sie aufgebrochen waren, dass sie in der Nacht gesehen hatte, wie sich Seyoko alleine mit all seinem Gepäck durch das Haupttor davonstahl. Zudem fand sie Rokus Glücksbringer und einen von KaschiWagis Sandalen in der Kapelle.

Nach einer kleinen Stärkung gingen sie abermals der Spurensuche in dem Anwesen nach, denn sie plagte das Gefühl, etwas Wichtiges übersehen zu haben. Die Suche nach Spuren, die über das Verschwinden von Wirt und Schamanen Auskunft gaben, blieb indes erfolglos. Einzig der von Oto entdeckte Glücksbringer des Wirtes legte die Vermutung nahe, er hätte sich nicht aus freien Stücken aus dem Staub gemacht. In der Kapelle des Hauses (3.20) konnten sie dann eine interessante Entdeckung tätigen. Vor der dort aufgestellten Butsu-Statue lag noch immer die Sandale des Wus auf einer im Boden eingelassenen größeren Jadeplatte, in der ein augenscheinlich zum Nachdenken anregender Spruch Butsus eingelassen war. Die angeblich weisen Worte des großen Erleuchteten Butsu offenbarten sich aber für den gebildeten Magier nicht, wohl da er sich bisher nie für Philosophie und dergleichen interessierte. Eine eingehende Untersuchung brachte aber die Erkenntnis, dass die Platte nicht etwa aus einem Stück, sondern vielmehr aus Einzelplatten zusammengesetzt worden war. Nebenbei fanden sie noch ein geheimes Fach, das ein zerknittertes Stück Papier mit einem hastig aufgekritzelten, widersinnigen Go-Rätsel barg.

BILD: PLÄTTCHEN

Sie ruhten sich vorerst aus, denn der Tag hatte ihnen bis jetzt schon so vielen Überraschungen beschert, dass sie erschöpft waren. In den späten Nachmittagsstunden hatte dann MikiFune einen Tagtraum, in dem die Zeit für sie stillstand und eine eindringliche Stimme sie aufforderte, den Phönixschrein aufzusuchen.

Sie klärte Sarazian dahingehend auf und prompt war ihre Erschöpfung von einem Moment auf den anderen verschwunden. War dies wahr? Hatte MikiFune vielleicht von einer höheren Macht einen wichtigen Hinweis erhalten? MikiFune konnte keine logische Erklärung dafür finden, warum sie diesen Tagtraum hatte. Womöglich wurde ihr dieser Hinweis von einem mächtigen Vogel- oder Naturgeist gegeben, weil sie noch immer den Vogelfächer bei sich trug, den sie aus der Hand der Statue im Untergrund des Felsengrabes des Klosters an sich genommen hatte. Und ein Phönix erschien immerhin immer in der Gestalt eines Vogels. Hastig wandten sie sich an Oto, die ihnen versicherte, dass es hier tatsächlich einen Phönixschrein gäbe. Dieser befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ahnentempel nahe der Bambusmauer.

Auf dem kurzen Weg zum unweit gelegenen Phönixschrein fragte Sarazian die Dame an seiner Seite, was es mit ihrem Vogelfächer auf sich hatte. MikiFune lächelte und schien sich in Erinnerungen zu verlieren, ehe sie ihm antwortete. Den Fächer hatte sie einst von ZuFong als Geschenk erhalten, der ihn extra für sie angefertigt hatte. Mit diesem war es möglich magisch Kontrolle über Vögel zu erlangen oder auch ein Tor zu der Sphäre der Grünen Hügeln zu öffnen. Außerdem vermochte er es sogar ihr dienliche Windpfauen zu rufen. Sarazian war überaus beeindruckt von diesem hochmagischen Relikt, konnte ihr aber keine weiteren Fragen dazu stellen, da sie schon ihr Ziel erreicht hatten.

Von außen offenbarte sich der Phönixschrein (3.6) dem Betrachter als hölzerne Pagode, deren Wände aus einer komplexen Verschachtelung hölzerner Leisten bestand. Das Dach war von dicken Schindeln bedeckt, denen dicker Moosbewuchs ein pflanzliches Aussehen verlieh. Holzfiguren an den vier Ecken zeigten einen zierlichen Vogel mit einer langen Feder quer im Schnabel. Das Innere des kleinen Gebäudes war von einem würzigen Aroma erfüllt, das von verbrannten Duftkräutern herrührte, deren Überreste in mehr als einem Dutzend hölzerner Schalen zu finden waren. In der Mitte erhob sich ein mannshoher Block aus weißem Marmor, auf dessen vier Seitenflächen die Geschichte JenTsis und des Phönix zu lesen stand (siehe: Reihe I „Pilgerfahrt“ Band 3, Anthologie: „JenTsi und der bunte Vogel“). Den Gedenkstein krönte eine fast lebensechte Phönixnachbildung, die mit geneigtem Kopf und klugen Augen alle Eintretenden neugierig zu mustern schien. Die Nachbildung wachte über ein Kästchen aus feinstem Kirschholz, in dem TseMitsu den wertvollsten Schatz seiner Ahnenlinie, eine Phönixfeder aufbewahrte.

Sobald sie sich einige Zeit im Schrein aufgehalten hatten, um diesen genauestens zu erkunden, durchfuhr beide ein stechender Schmerz und düsteres Dämmerlicht füllte schlagartig den Raum aus. Ein Blick nach draußen offenbarte ein Meer aus undurchdringlichem Grau, in dem selbst der Boden verlorengegangen war. Sie befanden sich wohl aufgrund der Magie des hier angebeteten Phönix zu diesem Zeitpunkt in einer Sphäre zwischen der Welt der Lebenden und der der Toten, in der der Geist TseMitsus Kontakt mit ihnen aufzunehmen wünschte. Schon nach wenigen Augenblicken in der Dämmernis war ein leises Wispern zu vernehmen, das seinen Ausgangspunkt im Kirschholzkästchen hatte und binnen kurzer Zeit zur heiseren Stimme TseMitsus anschwoll.

„Geist und Körper getrennt, gefangen im Dazwischen … Vergangenes holt uns ein, zerrissene Fäden des Schicksals werden neu geknüpft!“

Nach dieser etwas verängstigenden Szene kehrte wieder Stille ein und die Sonne bahnte sich Weg durch die Düsternis.

Der zweite Abend in der Ewigen Wonne verlief ohne besondere Vorkommnisse. Bis auf XiPenDo und den Handelsherrn mit seinem Gefolge waren die Gäste des gestrigen Abends im Verlauf des Tages wieder abgereist, und die bis auf eine Ausnahme eher uninteressanten Neuankömmlinge wurden von Oto bewirtet, die ihren „verreisten“ Mann gut vertrat. XiPenDo erzählte lustige Geschichten, während sich der adlige Händler seinen Abendtee auf sein Zimmer bringen ließ und die Nähe der übrigen Herbergsbewohner mied.

Die Ausnahme der neu ankommenden Gäste bildete das Mönchsduo Musashi und Myatomo aus der traditionsreichen Kyumo-Schwertschule, die sich auf dem Heimweg von einer entbehrungsreichen Pilgerreise befanden. Die sehnigen Körper der beiden WeTo-Mönche waren in schlichte weitgeschnittene Wickelgewänder gehüllt und ihre schmalen Bündel hingen an langen Stangen, die sie sich über die Schulter gelegt hatten. Sie nahmen zunächst im Hof Platz, wo sie solange warteten, bis sie von Oto begrüßt und ins Innere des Haupthauses gebeten wurden. Im Laufe der weiteren Stunden blieben sie schweigsam in einer abgeschiedenen Ecke des Gastraums sitzen, wo sie eifrig Tee tranken und wenig Kontakt zu den übrigen Gästen suchten.

MikiFune schaute betrübt zu den einsam sitzenden Mönchen herüber. Beinahe so, als hätte sie etwas Mitleid mit ihnen. Sie erklärte ihrem Gegenüber, dass ZuFong mit ihr nach einem Fauxpas einst aus dem kaiserlichen Palast fliehen mussten und so in das damals abgeschiedene Kloster kamen, was zu dem Zeitpunkt aber noch ein verlassener Schrein gewesen war. Über Jahre hinweg hatten sie die Bauten zu ihrer dauerhaften Bleibe umgebaut. Schon damals hatte sie, nachdem sie die vielen Hinterlassenschaften durchsucht hatte, sich für das Leben von Klerikern wie Priestern oder Mönchen interessiert. Leider war sie bis zum heutigen Tage noch niemals mit einem von ihnen in Kontakt getreten. Sarazian wurde nachdenklich. Das Kloster, in dessen Felsengrab er sie gefunden hatte, musste wahrlich über eine weitreichende und abwechslungsreiche Vergangenheit verfügt haben. Zuerst ein Schrein, dann die Bleibe des mächtigen Magiers ZuFongs und nach seinem Verschwinden wurde es dann von den Butsu-Mönchen wiederentdeckt und zu einem Kloster umgebaut. Er wollte ihr den Wunsch erfüllen, endlich einmal etwas über das Leben von Mönchen zu erfahren, und machte ihr den Vorschlag einfach zu ihnen zu gehen.

Schnell stand sie auf und schritt elegant in ihrem langen Seidenkleid zu den Mönchen herüber. Auf ihre Anfrage hin, durfte sie sich zu ihnen setzen und orderte sogleich Tee und einige Speisen für sie alle. Die Minen der Mönche, die anscheinend über sehr wenig Geld verfügten, klärte sich auf und erzählten ihr ausschweifend etwas über die Kyumo Schwertschule, der sie angehörten.

 

„Die Kyumo-Schwertschule war aus dem ehemaligen WeTo-Kloster der Morgenwolken hervorgegangen. Sie wurde in den Tagen des Abtes KyumoSanara gegründet, ein im ganzen Land bewunderter und geachteter Schwertmeister, den im Kampf niemand zu besiegen mochte.

Eines Tages besuchte Koizumi, ein landloser greiser SaMurai, dessen Namen bis dato im TsaiChen-Tal unbekannt war, die heiligen Hallen und forderte den Abt zu einem Waffengang. KyumoSanara und Koizumi kämpften drei Tage hintereinander mit dem Schwert. Beim ersten Treffen verkündete Koizumi zur großen Überraschung des Abtes im voraus, wo er angreifen würde, und führte den Hieb dann genauso, wie er es angesagt hatte. Das Gleiche geschah am nächsten Tag, und KyumoSanara, dessen Stolz nun verletzt war, nahm sich für den dritten Tag eine neue Ausgangsstellung vor. Als Koizumi diese geänderte Taktik erblickte, sagte er nur:

„Damit ist nichts gewonnen. Wenn ihr das tut, werde ich so verfahren.“

Ohne weitere Umschweife griff er an und bezwang KyumoSanara ein drittes Mal. Von diesem Tag an gab der Abt die rein ichbezogene Einstellung zur Schwertfechtkunst auf. Wie er in seinen Tagebüchern festhielt, bekam er bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal eine Ahnung von der wahren Kriegskunst. Auf KyumoSanaras dringliche Bitten hin blieb Koizumi sechs Monate im Kloster der Morgenwolken, und in diesem halben Jahr lernte KyumoSanara mit der Hingabe eines Neubekehrten. Als schließlich der Moment des Abschiednehmens gekommen war, sagte Koizumi:

„Wenngleich ich Euch zu besiegen vermochte, ist mein Weg der Schwertfechtkunst noch immer unvollkommen. Ihr seid noch jung, und Ihr solltet versuchen, ihn zur Vollkommenheit weiterzuentwickeln.“

Dann gab er dem Abt ein Rätsel auf: „Was ist die Schwertfechtkunst ohne Schwert?“ Eine Reihe von Jahren brütete KyumoSanara darüber, betrachtete die Frage von allen Seiten und gelangte schließlich zu einer Antwort, die ihn befriedigte. Als nach neun Wintern der dem Sterben nahe Koizumi erneut vor dem Tor der Abtei auftauchte, um zu sehen, wie weit sein Schüler inzwischen gereift war, schlug dieser seinem Gast einen neuerlichen Waffengang vor. Koizumi sah ihn lange eindringlich an, ehe er das Haupt vor Ehrfurcht neigte und erwiderte:

„Nein, es wäre sinnlos. Ihr seid hinter die Wahrheit gekommen.“

Daraufhin überreichte er dem Abt eine Urkunde und ein vierteiliges Lehrbuch. So wurde der Kyumo-Kampfstil geboren, der bald darauf bis über die Grenzen des Landes hinaus berühmt wurde. Der Meister selbst stellte sich nach dem Ableben Koizumis nur noch dreimal den unzähligen Herausforderungen und besiegte seine Gegner, noch bevor sie Hand an ihren Schwertgriff legen konnten.

Nach dem Tode KyumoSanaras übernahmen andere Mönche mit hochentwickelten Schwertkampftechniken die Leitung der Schule, doch keiner von ihnen vermochte dem Begründer in irgendeiner Weise nachzueifern. In der Gegenwart gehen aus der Kyumo-Schwertschule noch immer fähige Schwertkämpfer hervor, die jedoch schon längst nicht mehr eine Klasse für sich sind und von Herausforderern mitunter auch besiegt werden. Nur ein einziger war einige Sommer zuvor in der Lage gewesen mit den erstaunlichen Fähigkeiten des einstigen Meisters mitzuhalten. Doch dieser Krieger, der auf den Namen Hattori Hanzo hörte, legte seine Waffen nach einem schweren Schicksalsschlag nieder und zog sich in die Wälder zurück, wo er fortan von den Kami das Werk der Schmiedemeister lernte.“

 

MikiFune war von ihrer Geschichte verzückt und mehr als angetan, doch zugleich auch in einer Weise etwas traurig. Diese altehrwürdige Schwertschule hatte eine so lange Tradition, doch aufgrund von vielleicht unmotivierten Schülern und einer sich immer rascher verändernden Welt schien sie im Niedergang inbegriffen zu sein. Diese Schule brauchte dringend einen neuen und würdigen Schüler, der in die Fußstapfen des alten Meisters und Gründers tritt und diese besonderen Schwertkampftechniken und Traditionen für die Nachwelt bewahrt.

Es war mitten in der Nacht, als Sarazian von seiner Bettstatt aufstand. Ihm fröstelte es, doch er hatte keine andere Wahl. Er musste aufstehen. Wenig später kam er vom Klo zurück, welches sich im Außenbereich befand und schritt die Treppe im Gastraum empor, um zu seinem Zimmer zurück zu gelangen. Dort im Flur lehnte die Tänzerin „kleine Kirschblüte“ an einer Wand und fing ihn mit lieblicher Stimme ab. Sie war nur leicht bekleidet und schien durch das schwache Kerzenlicht in ihrer Hand, von einer anderen Welt zu stammen. Sie bandelte mit dem Ausländer an und versuchte, den in ihren Augen exotisch wirkenden jungen Mann zu verführen. Sarazian machte ihr Komplimente, doch lehnte dann bittend ab. In seinem Kopf ratterte es urplötzlich. Wieso hatte er das getan? Hatte er etwa tiefere Gefühle für MikiFune entwickelt? Als junger Reisender, nachdem er seine Heimatstadt Candranor und sogar Valian verlassen hatte, hatte er sich nie für Frauen interessiert, weil er dachte, dass sie ihn lediglich von wichtigeren Dingen, wie dem Ansammeln von Wissen ablenken würden. Dann sehnte er sich irgendwann doch nach einer Frau, die ihn in seinem Leben begleitete und so öffnete er sein Herz für die albische Abenteurerin und Ritterin Murrn. Nach ihrem vorzeitigen und unnötigen Tod schaute er sich aber nicht mehr nach einer Frau um, da er den Schmerz es endgültigen Abschiedes nicht mehr ertragen konnte. Und jetzt lehnte er diese Anmache dann doch wieder ab. War er im Inneren doch so stark auf MikiFune fixiert? Eine Frau, die er in einem Jahrhunderte nicht mehr geöffnetem Grab entdeckt hatte?

Kleine Kirschblüte verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust und unternahm daraufhin einen neuen Betörungsversuch, als von unten das leise Geräusch von knarzendem Holz zu hören war. Sarazian legte ihr seinen Zeigefinger umgehend auf dem Mund, um ihr zu verdeutlichen Stille zu halten. Er vermittelte ihr hier oben zu warten und in ihren Raum zurück zu kehren, während er unten nachsah. Jetzt ganz alleine im dunklen Flur wirkte er den Zauber „Unsichtbarkeit“ und zerbrach seinen letzten Runenstab „Stille“, der sich entgegen der eigentlichen Wirkung des Zaubers nicht auf seine Umgebung, sondern nur auf ihn auswirkte. Wenige Augenblicke vergingen, als ein in schwarz gekleideter und maskierter Mann die Treppe hinauf und an ihm vorbei schlich. Ein Ninja, dachte Sarazian, und beobachtete vorerst nur die Situation, da er sich davon noch mehr Hinweise erhoffte. Der Einbrecher verschaffte sich mit geübten Handgriffen Zugang zu den zwei Räumen des Handelsherrn. Dort bestäubte er erst die Krieger und danach die Diener mit einem Pulver. Der Magier war sich sicher, dass es sich um ein thaumaturgisches Pulver handelte, welches ähnlich dem Zauber „Schlaf“ wirkte. Notfalls könnte er immer noch ausreichenden Lärm verursachen, um die nun im festen Schlaf Befindlichen zu erwecken. Indes öffnete der Einbrecher die Türe zu Tojins Gemach.

Als sich der Schatten den am Boden auf einem Futon liegenden Kaufmann mit einem gezückten Dolch näherte, reichte es Sarazian. Er stürzte sich von hinten auf den augenscheinlichen Ninja, der nicht mit einem unsichtbaren und stillen Angriff eines Magiewirkers gerechnet hatte und versuchte verzweifelt die Oberhand zu gewinnen. Doch er hatte keine Chance. Noch bevor die Anwesenden erwachten löste Sarazian die von ihm gewirkten Zauber auf, da er nicht gewillt war, als Magier enttarnt zu werden.

Eiligst stürmte das Gefolge des nun erwachten Tojin ins Zimmer und durch den Lärm des vereitelten Mordanschlags brach in der „Ewigen Wonne“ hektische Betriebsamkeit aus. Die übrigen Gäste versuchten sich neugierig nach dem Vorfall zu erkundigen, wurden aber von den Kriegern schroff aus der Türe gedrängt.

Als sich die Lage etwas beruhigt hatte, ließ sich Tojin von Sarazian die Situation erklären. Dann wurden sie von einem Krieger unterbrochen, der in der Habe des bewusstlos daliegenden Einbrechers ein Holzröhrchen in der Innentasche seines Gewandes gefunden hatte. Darin befand sich ein Stück Papier mit folgendem Wortlaut:

„Der Vogel AhodoriSamutomo verlässt das Nest. Sorge dafür, dass er nie mehr fliegen kann. Roter Lotos.“

Der Rote Lotos war, sofern die Gerüchte über die KageMurai, der Schattenfamilien des TsaiChen-Tals, Wahrheitsgehalt besaßen, der Führer der ChüanPao. Auf ihr Konto gingen neben ausgedehnten Spionagetätigkeiten auch die Unterstützung etlicher Räuberbanden, die vor allem im unwegigen Norden ihn Unwesen trieben.

Das Schreiben war augenscheinlich der Auftrag, welches der Meuchelmörder von einem Vorgesetzten oder Auftraggeber übermittelt bekam. Sarazians Kenntnisse des Landes waren gut genug, um zu wissen, dass es sich bei AhodoriSamutomo um den ersten Sohn des Fürsten AhodoriHorigawa handelte und blickte den Kaufmann überrascht und ungläubig an. Der angebliche Kaufmann dankte seinem Gegenüber für seine erneute Rettung und schien ihm jetzt gänzlich zu vertrauen. Dies zeigte er indem er nun alle Karten offen präsentierte und seine wahre Identität lüftete. Sein wahrer Name lautete AhodoriSamutomo. Seine Blutsbande zu dem vor vielen Jahren verstorbenen Fürsten TamakuraYashido, den er nie kennengelernt hatte, war es auch, die ihn an den Ort des Todes seines Vorfahren lenkte, denn er folgte den Worten eines Ratgebers seines Vaters. Dieser legte ihm nahe, zur Zeit des TsunMai-Festes Burg Onshi aufzusuchen und den Segen seines Ahnen auf sich herabzubitten, der der Sternenkonstellation des Roten Tigers zufolge in diesen Tagen besonders gnädig gestimmt wäre. Leider herrschte jedoch zwischen dem Hause Ahodori und dem Hause des Landesfürsten SokugareKanwa, dem Regenten dieser Provinz KoreSumi, erbitterte Feindschaft, weshalb er sich nicht als Mitglied der Familie Ahodori zu erkennen geben durfte. In der Verkleidung des Kaufmanns Tojin hoffte er daher unerkannt zu bleiben. Allem Anschein nach war nun seine Identität durch ein Mitglied des Roten Lotos gelüftet worden, sodass er gezwungen war, schon am nächsten Tag abzureisen. Er verpflichtete seinen Retter aber Stillschweigen über diese Geheimnisse zu bewahren, da sein Heimweg zur Burg seines Vaters nach HuangFei schon Gefahren genug barg. Sarazian schwor, dass sein Geheimnis über seine Identität bei ihm sicher und nichts davon über seine Lippen käme.

 

Akt 50:

Hoshida:

 

teilnehmende Abenteurer:

Adeptus Rhegaru Sarazian Elissa (SL-Char, Valian, Magier), MikiFune (NPC)

 

Noch war Ahodori mit seinem Gefolge nicht aufgebrochen, da saßen Sarazian und MikiFune im Gastraum und ließen sich ihr Frühstück schmecken. Der Magier konnte selbst im Anblick der reichhaltigen vor ihnen aufgetischten Speisen nicht von dem gefundenen Zettel mit den zweifarbigen Punkten ablassen und grübelte über die vermeintlichen Go-Spielzüge nahe schon verzweifelt nach. Jetzt wollte auch MikiFune einmal einen Blick darauf werfen und entriss ihm mit einem Lächeln den Zettel. Schnell stellte sie fest, dass die dargestellte Situation für die schwarzen Steine widersinnig war. Ferner erklärte sie, die zu sehende Anordnung der Steine wäre so wirklichkeitsfremd, dass sie kaum aus einem Spiel heraus entstanden sein konnte. Dann fiel ihr noch etwas ein. Die schwarzen Steine waren auf einer Fläche von nur acht mal acht Quadraten angeordnet. Dies gepaart mit ihrer gestern erlangten Erkenntnis, dass auch der Butsu-Spruch aus acht mal acht Jadeplättchen zusammengesetzt war, genügte ihr, um das Rätsel zu entschlüsseln.

Als sie die Jadeplatte kurz darauf erreichten, stellten sie erstaunt fest, dass, wenn sie sich nur die Plättchen anschauten, die in dem GoRätsel mit den schwarzen Steinen markiert waren, ein neuer Spruch erschien. Dieser lautete:

„Wer meine Botschaft versteht und diese Worte niederdrückt, wird durch das Tor eingehen und ewigen Frieden finden.“

Sobald sie dann die Jadequadrate mit den Lösungswörtern des Butsu-Spruches eingedrückt hatten, schwang die ganze Platte nach unten weg und gab einen dunklen Stollen frei. In ihm führten steile, teils ungleichmäßig hohe Steinstufen in die Tiefe, mit einer dicken Staubschicht bedeckt, die von zwei Fußpaaren aufgewühlt worden waren. Irgendwer musste also erst vor Kurzem vor ihnen diesen Keller betreten haben. Die Treppe endete nach mehreren Kehren und Wenden in einer schwach beleuchteten Kammer.

BILD: GO-SPIEL

Die Kammer besaß einen quadratischen Grundriss und war wohl gut und gerne fünf Meter hoch. Die Mauern und der Boden waren mit groben Granitplatten verkleidet, die zwar nicht hübsch anzusehen waren, den unterirdischen Komplex jedoch erfreulich stabil erscheinen ließen. Im Inneren des Raumes fiel ihr Blick zuallererst auf einen staubbedeckten Greis, der im Lotossitz auf einem Berg weicher Seidenkissen ruhte und eine bauchige Porzellanurne in seinem Schoß mit beiden Händen fest umschlossen hielt. Ihm zur Seite standen KaschiWagi und TseMitsu, die Schwerter blank gezogen hatten und sich bei ihrem Eintreten schützend vor den sitzenden Alten stellten. Dabei fiel auf, dass ihre Augen starr in die Ferne blickten und sie wie von einer anderen Macht gelenkt erschienen. Im Hintergrund der Kammer erstreckte sich ein schiefes, leeres Bord. Unter ihm standen drei modrige Holzfässer. Das vorherrschende Dämmerlicht entsprang einer kleinen Öllampe, die vor dem sitzenden Greis stand und müde flackerte.

Sarazian erkannte die Schwerter sofort wieder, denn er sah sie schon als geisterhaften Schemen bei den zwei Samuraigeistern, die zwei Tage zuvor den Wu bei seinem Ritual im Ahnentempel angegriffen hatten. Jetzt wurde ihm so einiges klar. Das, was der Alte in seinem Schoß hielt, musste das wichtige Bündel gewesen sein, welches die vier Samurai einst zum hiesigen Wirt gebracht hatten, was bedeutete, dass der Alte der Wirt und Gemahl Safrans sein musste. Dieses Wichtige war auch der Grund, warum die Geister der Samurai noch hier gebunden waren und nicht schon längst in das nächste Reich übergingen. Sie hatten Besitz von den zwei ergriffen, was ihn daran hinderte, mit all seiner Macht und Zauberkunst zuzuschlagen. Allerdings bedeutete dies auch, dass sie die Schwäche gewöhnlicher Menschen besaßen.

Sarazian packte MikiFune und zog sie ruckartig hinter sich, während er mit der anderen Hand seinen Zauberstab mit dem „Blitze schleudern“-Thaumagral zückte und ihnen eine Unzahl Blitze entgegenschleuderte. Geschockt aber annähernd unverletzt fielen KaschiWaki und TseMitsu unsanft zu Boden, wo sie liegen blieben. Vier Samuraigeister fuhren aus ihnen heraus, erhoben ihre Schwerter und schwebten zielstrebig auf den Magier zu, um ihm den Garaus zu machen. Sie hatten aber nicht damit gerechnet, dass ihr Gegenüber sein Amulett gegen Geisterwesen aktivierte und er sie somit auf sicheren Abstand hielt. Jetzt war seine Zeit für einen Konter gekommen und beendete das Ganze mit einer Abfolge von „Feuerlanzen“.

Sarazian freute sich innerlich endlich mal wieder mit seinen Zauberkünsten prahlen zu können. Nachdem er sich nach dem Befinden seiner Begleiterin erkundigte, schauten sie sich die große Urne an. Sie bestand aus feinstem Porzellan mit glasierter Oberfläche, auf der blasse Blumenmuster und Drachenzeichnungen zu sehen waren. Rund um den Rand des Deckels, auf dem das Abbild eines stolzen Kranichs von der Zugehörigkeit zum Tamakura-Clan kündete, war ein dünner Ring gelben Wachses zu erkennen. Der Magier erkannte sofort, dass die Urne magisch gesichert war, denn die in den Verzierungen versteckten Zaubersymbole würden wohl einen Wächter beschwören. Das Risiko wollte er ungerne eingehen.

Eine Untersuchung des Greises ergab, dass er zwar nicht völlig tot, jedoch in einem Zustand, der dem des Scheintodes ähnelte, versunken war. Sein Puls ging sehr langsam, seine Haut war unnatürlich kühl und sein Gesicht von erschreckend grauer Farbe. Sobald ihm die Urne aus dem Schoß genommen wurde, erwachte er jedoch blitzartig zum Leben und erhob sich mit Ächzen und Stöhnen von seinem Lager. Dann wandte er sich mit blinzelnden Augen an die Abenteurer vor ihm und begann mit stockender, leiser Stimme eine Erklärung abzugeben.

„Diese Person nennt sich Roku und schätzt sich überglücklich, Euch gegenübertreten zu dürfen. Im Inneren dieser Urne befindet sich ein kostbarer Schatz, den zu hüten sich diese Person verpflichtet hat. Doch nun, da Ihr gekommen seid, ist meine Wacht zu Ende und diese Person kann in das Reich der Ahnen eingehen.“

Damit forderte der Tod seinen Tribut und Roku brach auf der Stelle zusammen. Er hatte sein Leben bereits ausgehaucht, noch ehe er auf dem Boden aufschlug. Sarazian ging näher heran, um die brennende Lampe zu untersuchen. Vermutlich war sie ein Erbstück Rokus gewesen, denn sie war definitiv magisch und vermochte sogar ohne Luft so lange zu brennen, bis sie entweder erstickt oder durch einen kräftigen Windstoß gelöscht wurde.

Auch wenn Sarazian kurz mit dem Gedanken spielte diesen kostbaren Schatz für sich zu beanspruchen, um seine klamme Börse aufzufüllen, so legte er diese Idee doch beiseite. MikiFune hätte ihm dafür bestimmt schwere Vorwürfe gemacht.

Sie brachten die noch immer außer Gefecht und leicht angeschlagenen TseMitsu und KaschiWagi zu Oto, die sich freute die zwei wieder wohlbehalten wiederzusehen. Nun hielten sie noch die Urne in ihren Händen, die zweifelsohne einst Eigentum der Familie Tamakura war. Da diese seit der Eroberung der Burg Onshi als ausgestorben galt und eine entfernte Verwandtschaft zwischen ihr und der Familie Ahodori bestand, suchten sie AhodoriSamutomo auf. Dieser zeigte sich überrascht, zögerte aber nicht diese zu öffnen, was ihm der darauf befindliche Zauber gewährte. Und siehe da, das Wachs fiel wie von selbst ab und der Fürstensohn hob vorsichtig den Deckel ab. Im Inneren des mit goldenen Samt ausgeschlagenen Gefäßes erkannten sie daraufhin einen friedlich schlummernden Säugling, der auf einer Reihe dünner Seidenkissen gebettet lag. Ihm zu Füßen befand sich eine hölzerne Rolle, auf der das Siegel des Kranichs, das Siegel des Hauses Tamakura, prangte. Die Rolle enthielt ein Schreiben des Fürsten TamakuraYashido an seinen verehrten Verwandten AhodoriKaide. In ihm hieß es:

 

Hochverehrter Kaido

In einer Stunde größter Not wendet sich diese Person verzweifelt an Ihre Erhabenheit, ihr eine ungewöhnliche Bitte zu erfüllen. Ehrlose Ronin bestürmen mein Heim und es besteht wenig Aussicht, den Sieg zu erringen.

Da diese Person jedoch sehnlichst wünscht, ihr Blut zu bewahren, entsendet sie ihre vier besten Krieger, um ihren Sohn Hoshida in Sicherheit zu bringen. Diese Person unterwirft sich völlig Eurer Gnade und hofft, Eure Erhabenheit weist ihre Bitte in der Stunde ihres Todes nicht ab.

Euer unterwürfigster Diener Yashido

 

AhodoriSamutomo reagierte mit aufrichtiger Freude, als ihm die Gewissheit kam, dass das Geschlecht der Tamakuras doch nicht, wie bislang geglaubt, ausgerottet wurde. Er versprach den Helden, sie aufgrund ihres Verdienstes um den Fortbestand des Hauses Tamakura fürstlich zu entlohnen und bat Sarazian sogar an, als Samurai in die Dienste seines Vaters zu treten. Sarazian lehnte dankbar ab, da sie noch eine wichtige Mission zu erfüllen hatten. Der Fürstensohn nahm dies hin, bestand jedoch darauf, dass die zwei sie wenigstens für einen kurzen Besuch inklusive eines Festes zur Burg seines Vaters begleiteten. Obwohl er unter immensen Zeitdruck stand, den Stab ZuFongs in den Feuern des Vulkans zu zerstören und danach zu dem Rest seiner Gruppe zurück zu kehren, durfte er diese zweite Bitte des Adligen nicht ablehnen und stimmte ein, um ihm keine Schande zu bereiten.

Sarazian hatte aber noch eine brennende Frage und hoffte, dass Ahodori sie ihm beantworten konnte. Er holte den Jadestein hervor und zeigte sie ihm. Der Fürstensohn erkannte diesen zwar nicht, nahm aber an, dass dieser einem der die Burg Onshi angreifenden Krieger gehört haben musste. Das könnte auch der Grund dafür gewesen sein, warum die Geistersamurai KaschiWagi attackierten und er ihn daraufhin weit von sich warf. Vermutlich hatte ihn der Wu bei seiner Reise auf dem nahegelegenen Schlachtfeld gefunden und an sich genommen. Sarazian wollte den verfluchten Stein nicht bei sich wissen und bat diesen seinem Gegenüber an, doch Ahodori lehnte ab.

Gewissheit erhielten sie, als die wieder zu sich gekommenen KaschiWagi und TseMitsu hinzustießen und der Wu ihnen erklärte, dass er den Stein tatsächlich vor einigen Jahren bei der Burgruine gefunden hatte. Als er mit den Geistern in Kontakt getreten war, hatte er zu spät ihre Blicke bemerkt, die auf der Stelle in seiner Tasche gerichtet waren, in der sich der Stein befand. Darum hatte er ihn von sich geworfen. Er musste wohl einem höherrangigen der Angreifer gehört habe. Einst hatte er diesen eigentlich nur an sich genommen, da er erkannte, dass die in ihm wohnende Magie seinen Träger von den schädlichen Wirkungen von Giften bewahrte.

Ahodori blieb dann doch länger als gedacht mit seinem Gefolge in der „Ewigen Wonne“, denn es gab einiges zu feiern. Zum einen der Fund Hoshidas, in dem mittlerweile auch die Herbergsmitarbeiter eingeweiht worden waren und zum anderen die Rückkehr der verschollenen KaschiWagi und TseMitsu. Der Schauspieler erzählte in atemberaubender Stimmung und vollsten Emotionen von der Opferbereitschaft der SaMurai auf dem Shiroyama, dem weißen Berg, der ihnen allen endlich die lang ersehnte Freiheit vom Reich des Südens schenken würde. Mit vollen Krügen stieß selbst Ahodori mit dem gemeinen Volk an, denn an diesem Abend waren sie vereint in der Freude eines alles überragenden Festes.

Zu später Stunde erreichte ein Bettlermönch mit struppigem Bart die Gaststube und zeterte geradezu herzzerreißend über die mangelnde Opferbereitschaft der KanThai. Nur die wenigsten auf der offenen Straße waren bereit ihm eine Spende zu übergeben. Oto wollte ihm gegenüber nicht ablehnend sein und lud ihn mit der Zustimmung der Feiernden ein, bei ihnen Platz zu nehmen. Dabei fuchtelte er theatralisch mit einer schäbigen Holzschüssel herum und rezitierte altbekannte Weisheiten.

Nach mehreren Krügen ausgeschänken Weins erkannte XiPenDo das am Gürtel des Mönchs befestigte Tontöpfchen. Da sich dieses ihm merkwürdig bekannt vorkam, sprach er ihn darauf an. Der Mönch gab an, es von einem armseligen Wandergesellen erhalten zu haben, dem er mit seinen Gebeten Erleichterung verschafft hatte. Sarazian bekam das Gespräch mit und ihm fielen sofort Parallelen zu Seyoko auf, der sich heimlich nachts aus der Herberge geschlichen hatte. Insgeheim bespitzelte er den Bettlermönch und erkannte auf seinem Knöchel oberhalb seiner Sandalen eine kleine Tätowierung. Es hatte die Form eines kanthanischen Schriftzeichens, welches er mit „Sohn des Waldes“ übersetzte.

Umgehend warf Sarazian seine Schale fort und forderte auch die anderen dazu auf das Gelage zu beenden. Doch es war zu spät. Um ihn herum fielen alle Anwesenden bis auf den Mönch, der höchstwahrscheinlich nur so tat, als würde er trinken, um und schliefen ein. Der Magier griff zu seiner Gürteltasche, erhaschte ein Pülverchen und schläferte den schräg lachenden Seyoko, den Mönch, ein. Er versuchte schnell seine Gedanken zu ordnen, um zu verstehen, warum er diesem Speisegift nicht erlegen war. Da erinnerte er sich an KaschiWagis Worte, dass der Jadestein vor den Einflüssen von Giften schützte.

Schnell ging er von einer Person zur nächsten und legte ihnen den Stein auf. Als sie binnen kürzester Zeit erwachten, erklärte er ihnen die Situation, in der sie sich befanden. Ein Angriff der „Söhne der Wälder“ stand wohl unmittelbar bevor. Ahodori war erbost und wollte Seyoko zuerst eigenhändig töten, ehe er sich besann. Er riss ihm den falschen und aufgeklebten Bart kraftvoll ab, wodurch dieser unsanft aus seinem Schlummer erwachte.

In dem darauf folgenden Verhör gab er aus Angst vor einer Hinrichtung all seine Informationen preis. Seyoko sollte auf Befehl des Räuberführers Hideyoki hin mögliche Wachen mit einem Mittel außer Gefecht setzen und in der Stunde des höchsten Mondstandes das Tor öffnen. Hideyoki hatte aber bis vor kurzem keinerlei Interesse an dieser Herberge gehabt, bis er vor einigen Tagen eine sonderbare Geistesbotschaft aus dem Osten empfing, während sich dieser in Krämpfen auf dem Boden gewälzt hatte und wirres Zeug von sich gab. Die Zahl der Räuber beliefe sich insgesamt auf zwanzig und wollten dann in ihrer vollen Stärke eindringen.

Sarazian war sich sicher, dass diese Geistesbotschaft von einem Schwarzen Adepten stammte. Das KuraiAnat, das schwarze Herz, dem die Schwarzen Adepten angehörten und die wahren Herrscher in KuroKegaTi, dem Süden und Osten von KanThaiPan waren, wollten wahrscheinlich mit diesem Anschlag den Fürstensohn treffen. Sein Vater hatte wohl Truppen für die Schlacht am Shiroyama gestellt, weswegen dessen Familie ein Ziel darstellte, um das Land für die bevorstehende Entscheidungsschlacht vorbereiten. Doch wer genau war dieser Hideyoki?

Diese Frage konnte ihm Ahodori beantworten, denn dessen Geschichte war weithin bekannt. Hideyoki war das fünfte Kind eines angesehenen Doktors der Literatur aus PadKuChung. Doch schon in jungen Jahren hatte er nichts als Flausen im Kopf, trieb er sich doch lieber mit Straßenjungs herum, als an seiner Karriere zu feilen. So blieb es nicht aus, dass er nach einigen Diebeszügen aus dem Beamtendienst entlassen wurde und aus Rücksicht zu seinem älteren Bruder HanNiuPang in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Stadt und seine Familie verließ. Nach einigen Umwegen strandete er letztlich in HuangFei, wo er sich mit kleineren Gaunereien über Wasser hielt. Bei dem folgenden Teil der Geschichte betonte Ahodori jedoch, dass es sich auch nur um Gerüchte handeln könnte. Demzufolge kam es dann zu jenem schicksalshaften Tag, der das Leben Hideyokis für immer verändern sollte. Seinem ehrgeizigen Bruder HanNiuPang war es mittlerweile gelungen, bis in die höchsten Beamtenränge vorzustoßen. Er war einer der Auserwählten, die in die Reihen der Unsterblichen Mandarine, der Schwarzen Adepten, eingehen sollten. Kaum dass er in die Hallen YenXuLus eingegangen war, erinnerte er sich seines nichtsnutzigen Bruders und gab Befehl, ihn zu sich bringen zu lassen. Laut Hörensagen unterzog er ihm in den tiefsten Katakomben der Feste einem grausamen Ritual, was es ihm ermöglichen sollte, in Zukunft geistige Kontrolle über seinen Bruder auszuüben. So geschah es, dass Hideyoki sich in kurzer Zeit zum Anführer der berüchtigten Räuberbande „Söhne der Dunklen Wälder“ emporschwang.

Dann in der Stunde des höchsten Mondstandes näherten sich von der Waldseite einige Schatten der „Ewigen Wonne“ und schlichen geradewegs auf das Tor des Walls zu. Da das Tor geschlossen war, zischte Hideyoki seinen Gefolgsmännern wütend neue Anweisungen zu, woraufhin die Räuber ausschwärmten, um die Palisade zu erklimmen. Doch die Verteidiger im Inneren waren darauf vorbereitet und hielten in ihren Verstecken still inne. Sobald die ersten Räuber auf der Innenseite der Palisade heruntersprangen, wurden sie von den Kriegern Ahodoris mit Pfeilen durchsiebt. Laut schreiend gingen die Überlebenden zum Angriff über, in dem sie ihre Kurzschwerter zogen und sich den ausgebildeten SaMurai entgegenstellten.

In dem sich im Inneren entwickelnden Kampf strebte Hideyoki mit zwei seiner Männern dem Tor zu, welches ihnen gelang aus den Angeln zu hebeln. Danach wandten sie sich ungesehen der Kämpfenden dem Haupthaus zu. Doch ein Mann stellte sich ihnen entgegen, Sarazian. Der Magier erledigte Hideyokis Wächter binnen eines Sekundenbruchteils mit zwei Feuerlanzen, ehe er Hideyoki selbst gegenüberstand. Sarazian hatte sich zwar im Vorfeld des Kampfes magisch verstärkt, war dem Räuberhauptmann jedoch im Nahkampf unterlegen. Hideyoki kämpfte nämlich wie ein Irrer, der dem Berserkerwahn anheim gefallen war und war auch durch Verwundungen nicht von seinem Weg abzubringen. Zu seinem Glück bemerkten die meisten Räuber, dass ihr Überraschungsmoment vertan war und sie gegen die schwer gerüsteten und gut ausgebildeten Verteidiger keine Chance hatten und sie sich dann aus dem Kampfgeschehen zurück zogen, um in den Wald zu flüchten. Hideyoki war nun allein und stand nun den SaMurai entgegen, die sich vor Sarazian, der ihren Herrn nun schon zwei Mal beschützt hatten, aufbauten. Hideyoki starb einen schnellen Tod.